Niederlande: Vorerst kann Geert Wilders nicht regieren

Regierungsbildung Das vorläufige Scheitern der Koalitionsgespräche in der Niederlande wirft die Frage auf: Setzen die verbliebenen Parteien auf eine rechte Minderheitsregierung oder bringt eine neue Formel andere Möglichkeiten ins Spiel?
Wohin geht es für Geert Wilders?
Wohin geht es für Geert Wilders?

Foto: IMAGO/ANP

Nach dem abrupten Rückzug von Pieter Omtzigt, Chef der sozial-konservativen Partei Nieuw Sociaal Contract (NSC), aus den Regierungsverhandlungen zeigt sich in Den Haag ein wohlbekanntes Bild: Wie so oft in den vergangenen Jahren gibt es ein monatelanges, unübersichtlich bis chaotisch anmutendes Tauziehen um eine Regierung. In welche Richtung sich das entwickelt, verführt zu allen möglichen Spekulationen. Dazu trugen auch Andeutungen Omtzigts bei, ein Minderheitskabinett oder eines, das aus externen Fachleuten besteht, eventuell tolerieren zu wollen.

Muss eine Regierung unbedingt eine Parlamentsmehrheit hinter sich haben?

In der anstehenden Woche wollen die drei verbliebenen Parteien, Wilders rechtspopulistische PVV, die liberal rechte VVD, seit 2010 an der Regierung, sowie die Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) Möglichkeiten einer Minderheitsregierung ausloten. Dabei liefert der Report, den Verhandlungsleiter Ronald Plasterk über die Gespräche der zurückliegenden zwei Monate vorlegen wird, Einsichten in deren Verlauf. Mitte der Woche folgt eine Parlamentsdebatte, bei der Abgeordnete anderer Parteien voraussichtlich auf eine andere Koalitionsformel drängen werden.

Unter dem Strich stehen damit zwei Fragen zur Debatte. Die erste ist formeller Art und ergibt sich aus dem generell stark fragmentierten niederländischen Parteienspektrum: Verabschiedet man sich bei der Suche nach einer Regierung von einer Parlamentsmehrheit als prinzipiellem Kriterium? Die zweite betrifft Inhalt und Akteure: Hält man an einer Rechts-Koalition unter einem Premier Geert Wilders fest, welcher der mäßigende Einfluss von Pieter Omtzigt fehlt? Wilders macht rhetorisch nach wie vor kaum große Abstriche, wenn er weiter vom „Asyl-Tsunami“ spricht und eine Klimagesetzgebung baldigst „schreddern“ will?

Ein Ja auf die erste Frage verschafft dem Land, dessen politische Probleme nach einer handlungsfähigen Regierung rufen, zwar neue, womöglich aber nicht sonderlich stabile Optionen. Die zweite Frage macht dabei deutlich, wie dünn diese gesät sind. Die allein realistische Alternative wäre eine Art ganz große Koalition aus VVD, NSC und der Listenverbindung aus GroenLinks und Arbeitspartei, mit der Bauern-Bürger-Bewegung BBB und den progressiv-liberalen D66 oder beiden als Mehrheitsbeschafferinnen.

Was eine große Koalition ohne Geert Wilders bedeuten würde

Auf den ersten Blick erscheint diese Option aus progressiver Sicht um Meilen annehmbarer. Sie würde nicht nur den Niederlanden eine von Wilders geführte Regierung ersparen und dem rechtspopulistischen Siegeszug durch Europa eine Trophäe mit erheblicher Signalwirkung verwehren, sondern in begrenztem Maße auch die Möglichkeit einer sozialen, nachhaltigen Kurskorrektur in den Niederlanden eröffnen.

Auf der anderen Seite wiederum dürften die Konzessionen bei den Mitte-Links-Parteien beträchtlich sein, zumal der rot-grüne Spitzenkandidat Frans Timmermans in weiten Teilen des Landes nichts weniger als verhasst ist. Und das wachsende PVV-Elektorat würde einen solchen Schritt als Betrug empfinden und dies wohl auch lautstark artikulieren. Pieter Omtzigt gilt in diesen Kreisen seit seinem Rückzug vor Tagen als rückgratloser Verräter oder hat sich gar als Teil der vermeintlichen globalistischen Elite demaskiert.

Es steht also Grundsätzliches auf dem Spiel in den Niederlanden. Nicht zuletzt deshalb, weil die Umfragen zeigen, dass der virtuelle Anteil an PVV-Wählern noch deutlich gestiegen ist. Wohin die Reise geht, dürfte am Ende dieser Woche deutlicher sein.

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