Falls der Russe nach Berlin kommt: Bildungsministerin fordert Kriegsübungen in der Schule

Meinung Bettina Stark-Watzinger wünscht sich ein „unverkrampftes Verhältnis“ der Schulen zur Bundeswehr. Fehlt nur, dass der Landwirtschaftsminister mit atombombensicheren Schweineställen um die Ecke kommt. Über eine Republik im Aufrüstungswahn
Ausgabe 12/2024
Stellt sich Bettina Stark-Watzinger bald so den Schulunterricht vor? Pädagogik-Studentinnen in der DDR, 1980
Stellt sich Bettina Stark-Watzinger bald so den Schulunterricht vor? Pädagogik-Studentinnen in der DDR, 1980

Foto: Wilfried Glienke/ Picture Alliance

Kriegstüchtigkeit wird zum Querschnittsthema der Regierung. Ein Ressort nach dem anderen legt „Ideen“ dafür vor. Weil die Infrastruktur verletzlich ist und der Russe schon morgen in Berlin stehen könnte. Bald wird sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir mit mutigen Gedanken über atombombensichere Schweineställe und resiliente Melkmaschinen in die Öffentlichkeit wagen.

Nun also Wehrertüchtigung in der Schule und die Schaffung eines „unverkrampften Verhältnisses zur Bundeswehr“. So hat es Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger kurz nach Minister Karl Lauterbachs Sanitätsdienst-Morgenappell an das Gesundheitswesen verkündet.
Die älteren Westdeutschen werden sich noch an die hochkompetenten Atomschutzübungen im Büro (Aktentasche über den Kopf halten) oder im Kindergarten (Deckung unter Tischen suchen) erinnern, die Ostdeutschen denken dabei eher an schneidige Offiziere der Nationalen Volksarmee.

Wehrkunde war in der DDR ein normales Unterrichtsfach

Denn Wehrkunde war in der DDR ein normales Unterrichtsfach. Im Wehrlager durften die Jungs schon mal Handgranaten werfen oder unter der Gasmaske schwitzend durchs Gelände joggen, während die Mädchen durch Erste Hilfe-Übungen und die Pflege von Verletzten zu tüchtigen Florence Nightingales erzogen wurden. 1990 war der Spuk vorbei. Die Volkskammer setzte die Wehrerziehung aus.

Nun die Kehrtwende: Zurück in die Adenauer- und Honecker-Zeit. Mit einer Kombination aus den „besten Zutaten“ beider Systeme. So erklärte das westdeutsche Bundesamt für den zivilen Bevölkerungsschutz 1961 am Beispiel von Überlebenden der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki, dass man mit wenigen Maßnahmen auch hierzulande einen Atomschlag in den eigenen vier Wänden (Fensterglas weiß streichen! Duschen!) gut überleben kann. In der DDR wurde der Zivilschutz eher militärisch organisiert. Es bildeten sich Züge und Bereitschaften für Bergung, Rettung, Entgiftung oder Versorgung.

Im Heimatschutz könnten beide Stränge, das Zivile und das Militärische, nun zusammengeführt werden. Niedersachsen, die Heimat von Kriegsertüchtigungsminister Boris Pistorius, gilt mit der Aufstellung von „Heimatschutzregimentern“ als Vorreiter. Auf die Militarisierung der Politik folgt die Militarisierung der Gesellschaft.

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Geschrieben von

Wolfgang Michal

Journalist; Themen: Umbrüche & Entwicklungen

Wolfgang Michal

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