Adidas, Nike und das Acht-Sekunden-Tor der deutschen Nationalmannschaft

Meinung Erst ein Trikot in Pink und Lila, dann der Ausrüsterwechsel von Adidas zu Nike: Der Deutsche Fußball-Bund hat ein Problem – das hat aber nichts mit „Standort-Patriotismus“ zu tun, wie Robert Habeck meint
Ausgabe 13/2024
Adidas, Nike und das Acht-Sekunden-Tor der deutschen Nationalmannschaft

Foto: Imago / HochZwei

Bei den beiden Länderspielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft dieser Tage sieht man anders hin als sonst. Welches Markenzeichen prangt denn auf den Trikots der Gegner aus Frankreich und den Niederlanden? Beide spielen in Nike.

Okay, die Holländer haben keine eigene große Sportartikelfirma – aber bei den Franzosen gäbe es mit Le Coq Sportif eine heimische Marke. Trotzdem tragen Kylian Mbappé und seine Weltstar-Kollegen Ami-Klamotten. Wie in drei Jahren dann auch die Deutschen, die einen großen Vertrag mit Nike von 2027 an abgeschlossen haben. Was bedeutet, dass sie Adidas verlassen. Es war das Thema, das weit über den Fußball hinauswirkte – und das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) erst mit einem Acht-Sekunden-Tor gegen Frankreich einfangen konnte. Gut, ein paar andere Dinge passierten auch noch in der Welt.

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Gezeigt hat die Diskussion einmal mehr, wie sehr wir dazu neigen, den Sport – und den Fußball an seiner Spitze – moralisch aufzuladen. Für den Betroffenen ist das problematisch: Dem DFB schaut jeder auf die Finger – berechtigterweise wegen all der Ungeschicktheiten und Skandale, die ihm anzulasten sind, von Unklarheiten in der Bewerbung um die Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bis zur unausgegorenen Finanzierung seiner Akademie. Wir erwarten von ihm professionelles wirtschaftliches Handeln – legen ihm dabei aber ein Korsett an wie keiner anderen Branche. Das beste Angebot soll der DFB dann eben nicht annehmen dürfen, weil er dadurch mit einer Tradition bricht. Es ist genau die Gefühligkeit und Rücksichtnahme, die der Verband sich derzeit schlicht nicht leisten kann.

Bei der Wahl des Ausrüsters steht man nicht vor einer Entscheidung wie der, eine Weltmeisterschaft in einer Diktatur oder Demokratie auszutragen. Zwischen den beiden Weltmarktführern der Sportartikelbranche gibt es keine Der-eine-böse-der-andere-gut-Rollenverteilung.

Horst Dassler und Colin Kaepernick

Adidas ist verlässlich, unideologisch, immer ein gemeinsamer Nenner für die ganze Welt gewesen, die Trainingsjacke mit den drei Streifen brachte uns sogar Fidel Castro nahe – negativ waren halt die sportpolitischen Tricksereien von Horst Dassler, sein Hineinregieren in die großen Verbände in den 1980er Jahren.

An Nike lässt sich vielleicht aussetzen, dass es vor einigen Jahren das „Oregon Project“ unter dem Leichtathletik-Schinder Alberto Salazar hat durchgehen lassen – auf der anderen Seite fing der Konzern den Footballer Colin Kaepernick auf, als der für seine klaren Botschaften gegen Rassismus vom Establishment verstoßen wurde. Der Wettstreit der beiden größten Ausrüster tut dem Sport gut, etwa im Marathon, wo sie mit ihren Schuhen in einem atemberaubenden Innovations-Wettbewerb stehen.

Nike-Outlet in Herzogenaurach

Verfehlt war in den vergangenen Tagen halt die Kommunikation, mit der der DFB seine Entscheidung flankierte. Wenn der noch bestehende Partner gerade ein pfiffiges neues Trikot launcht, ist das der ungünstigste Zeitpunkt, um auszuplaudern, dass man demnächst eine neue Liaison eingeht. Die Erklärungen des DFB, dass Nike mit seinen Visionen überzeugt habe, waren grausamstes PR-Blabla und nicht zu unterscheiden von den Statements von Fußballern, wenn sie einen Wechsel nach Saudi-Arabien rechtfertigen.

Jedoch ist auch „Standortpatriotismus“ aus dem Mund von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) ein veralteter Begriff in Zeiten der Globalisierung. Die hat längst auch Herzogenaurach, den fränkischen Ort, erreicht: Zwischen den Firmensitzen und Shops von Adidas und Puma steht dort ein großes Outlet von Nike.

Günter Klein ist Chefreporter Sport des Münchner Merkur und schreibt die monatliche Kolumne „Der Sportreporter“ im Debatten-Ressort des Freitag.

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