Klempner an die Macht!

Parlamentsarbeit „Sie sind ein Klempner der Macht“, hat Oppositionsführer Friedrich Merz Kanzler Olaf Scholz zugerufen. Der ist geschmeichelt. Von wegen Gebäudeenergieundsoweitergesetz: Wissen Sie, wie viele Handwerker es im aktuellen Bundestag gibt?
Im Heizungskeller hantieren Fachkräfte eher mit Universalschlüsseln wie dem „Engländer“  als mit einem Hammer.
Im Heizungskeller hantieren Fachkräfte eher mit Universalschlüsseln wie dem „Engländer“ als mit einem Hammer.

Foto: Imago/Panthermedia

Im aktuellen Bundestag sitzen 88 Prozent Akademiker, davon 21 Prozent Juristen und 15 Prozent Wirtschaftswissenschaftler. Von den 736 Abgeordneten sind 32 Handwerker oder haben Handwerksbezug. Wäre man Wirtschaftswissenschaftler, könnte man nun ausrechnen, wie wenig das sind: 4,4 Prozent.

Was läuft da schief, bei all den vorgeblich so sehr um DIVERSITÄT bemühten Politmenschen, dass sie so wenig fachliche Vielfalt in den eigenen Reihen erdulden? Ganz offensichtlich krankt der Politikbetrieb nicht an zu viel Klempnertum, sondern an Handwerkermangel – CDU-Möchtegernkanzler Friedrich Merz liegt leider völlig falsch, wenn er mit Olaf Scholz einen Klempner an der Macht sieht.

Die sich um den tropfenden Wasserhahn kümmern

Zur Erinnerung: Klempner ist der Mann, der sich um den tropfenden Wasserhahn kümmert. Und darum, dass die Heizung läuft. Genaugenommen läuft ohne ihn gar nichts, oder vielmehr: höchstens daneben. Der Klempner ist, was man im von blassen Bürokraten dominierten Bundestag dröge eine Fachkraft nennt. An den Stammtischen der Regierten hält man sich an den Handwerker – ein stolzer Berufsstand. Stolzer als, sagen wir, Hedgefondsmanager. Zudem, anders als die Ampel-Koalition, krisenfest.

Denn da müsste wirklich mal ein Klempner ran. Hätte man einen solchen zurate gezogen, wäre der sogenannte Heizungshammer, also das Gebäudeenergieundsoweitergesetz, nicht so dermaßen danebengegangen. Ein Klempner hätte erstmal fachkundig geguckt, im Heizungskeller, was Fakt ist, ob er genügend Leute hat, ob das Material taugt, wo es Ersatzteile gibt und was das Ganze kostet – Pi mal Daumen. So gesehen, darf man schon dankbar sein, dass zumindest nicht Antihandwerker Merz seine Finger im Spiel hatte – kaum vorstellbar, was alles kaputt geht, wenn der einen Hammer in die Hand nimmt. Seine offensichtliche Praxisferne gäbe eher Anlass zur Demut als zu Handwerkerbashing. Entsprechend geschmeichelt gibt sich der Kanzler.

Wer hat mehr Macht?

Denn wer ist Ihnen lieber, da oben: ein per Privatjet abgehobener, eloquenter Handwerksverächter – oder ein bodenständig-grummiger Klempner, der die Zähne nicht auseinander-, aber dafür die Dichtung zukriegt? Wer hält das Haus warm? Wer versteht mehr vom tropfenden Wasserhahn? Und wer hat, wenn es hart auf hart kommt, mehr Macht?

Bei aller berechtigten Kritik an der Regierung fällt der Unterschied auf zwischen Merz und Scholz, zwischen Schwarz und Rot, zwischen Laberndürfen und Machenmüssen: Die zu Verwaltungsjob-Besitzstandswahrern mutierten SPD-Leute mögen sich gefährlich weit entfernt haben von ihrer Arbeiterschaft, doch noch in ihrer dunkelsten Stunde fiele ihnen nicht ein, Handwerkern die Schuld für Scholz in die Schuhe zu schieben.

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Geschrieben von

Katharina Körting

Freie Autorin und Journalistin

2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt

Katharina Körting

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