Cybertruck von Elon Musk: Zurück in die postsowjetische Zukunft!

Ästhetik Teslas Pick-up ist als Auto eine Katastrophe, klima- wie verkehrstechnisch. Er taugt aber als Symbol: Für eine dystopische Botschaft, die Elon Musk uns überbringt
Ausgabe 50/2023
Klobig, klotzig, kantig: Teslas Cybertruck
Klobig, klotzig, kantig: Teslas Cybertruck

Foto: Courtesy of Tesla, Inc.

Er wirkt klobig, klotzig, aus der Zeit gefallen. Er sieht aus, als hätte sich ein Zehnjähriger an das Zeichnen eines Bat-Mobils gemacht. Seit Bilder des Cybertrucks von Tesla auftauchten, konnte das Internet mit Häme und Spott nicht mehr an sich halten. Soll sich dieses Auto verkaufen? Geht es Elon Musk, dem südafrikanischen Tech-Mogul, um schnöden Umsatz und Return on Investment – oder vielmehr um den weltweiten Buzz?

Ich bin keine Autofahrerin, habe nicht mal einen Führerschein, aber ich liebe den Cybertruck. Ist er nicht eine Art Bilderrätsel, das nach einer Lösung verlangt? Wenn man ihn längere Zeit anschaut, gewöhnt man sich beinahe an seine Scheußlichkeit; doch wandern die Augen zurück zu den glatten, windschnittigen, soften Formen zeitgenössischer Autos, verpasst sein erneuter Anblick dem Gehirn eine Schockstarre. Cybertruck-Hirnfrost, wie wenn man zu schnell zu viel Milchshake getrunken hat. Als militante Fußgängerin gruselt es mich bei dem Gedanken, von der zackig-kantigen Karosserie des Cybertrucks zerquetscht, überrollt oder zerrissen zu werden. Die Kulturwissenschaftlerin in mir sieht das Potenzial des Autos als Zeichen.

Wenn ein Auto zum Meme avanciert, kann man sich teure Werbekampagnen sparen. Die sind übrigens grotesk schön: In einem Werbebild sieht man eine Familie beim Picknick; im Hintergrund der Cybertruck, dahinter eine Landschaft, die wie der Mars nach erfolgreichem Terraforming wirkt. Irgendwie erdähnlich, aber auf eine unheimliche Art. Man fühlt: Hier haben sich die letzten Überlebenden nach dem Krieg der KI Skynet gegen die Menschheit zu Erholungszwecken niedergelassen.

Cybertruck erinnert an Retrofuturismus

Dieser Cybertruck fährt nicht durch grüne Wälder oder versmogte Innenstädte, er ist das Vehikel der Zukunft, wenn die Überlebenden auf einem verheerten Planeten ums Dasein kämpfen. Worin ginge das besser als in diesem Auto gewordenen Panzer wie aus einem DC Comic? Oder, um ein anderes Franchise zu bemühen: Star-Wars-Fans werden in dem Vehikel einen imperialen Truppentransporter erkennen, der seine Truppen im Wüstensand von Nevarro absetzt.

Tatsächlich ist die Star-Wars-Schrottästhetik die beste Referenz für Musks Marketing-Coup: Im Gegensatz zu Star Trek, das in der Zukunft der uns bekannten Zivilisation spielt, repräsentiert Star Wars eine alternative Realität in einer weit entfernten Galaxie. Es fügt sich nicht in die Konzepte Zukunft oder Vergangenheit, es ist einfach weit, weit weg. Teslas Cybertruck erinnert an diesen zeit- und ortlosen Retrofuturismus.

Der Todesstern kann Planeten zerstören, aber er sieht aus, als sei er in einem postsowjetischen Land unter Einsatz rostiger Schrauben aus verbeultem Blech gefertigt worden. Jango Fett mag Angst und Schrecken verbreiten, aber sein Raumschiff erinnert mich stets an ein Bügeleisen (und damit an ungebügelte Wäscheberge). Star Wars kennt Hyperraumantrieb, aber der wirkt, als käme er aus einem Erste-Weltkrieg-Panzer wie dem Saint-Chamond. Was uns zur Ästhetik des Cybertrucks zurückführt.

Asimovs Trantor lässt grüßen

Repräsentierte das von Apple entwickelte iPhone einst das Verschmelzen der Hand mit dem technischen Gadget, das so glatt und zart und kantenlos wie ein (Tech)Baby anmutete, so kann nichts und niemand mit dem Cybertruck verschmelzen, abgesehen von Cyborgs. Während Steve Jobs’ Erzeugnisse für gnadenlosen Zukunftsoptimismus in der Mensch-Maschine-Verschmelzung stehen, versinnbildlicht der Cybertruck jenen Moment, in dem der Mensch in einer Welt zum Fremdkörper wird, die von Maschinen und KI so viel effizienter, CO₂-sparender und insgesamt friedlicher bewohnt werden könnte.

Musk soll als Jugendlicher Isaac Asimovs Foundation-Zyklus gelesen haben. Darin ist die Menschheit bereits eine interstellare Zivilisation, wobei die Erde aus der Sicht der Weltraumsiedler kaum mehr als Heimat- und Ursprungsplanet erinnert wird. Viele Weltraumbewohner halten die Erde gar für einen Mythos. Regierungszentrum der interstellaren Zivilisation ist Trantor. Wäre der Cybertruck nicht das passende Vehikel für die Bewohner Trantors?

Der Cybertruck weist in eine grüne Zukunft, nicht für picknickende Menschen, sondern für Cyborgs, Roboter und Erden-Leugner. Man darf sich freuen, man darf sich gruseln. Vielleicht ist der Cybertruck das Auto gewordene Psychogramm eines Mannes, der zwar an die Zukunft glaubt, aber nicht an eine Zukunft der Menschheit auf ihrem Heimatplaneten.

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Geschrieben von

Marlen Hobrack

Was ich werden will, wenn ich groß bin: Hunter S. Thompson

Marlen Hobrack

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