Der Einstieg erfolgt ohne großartige Mätzchen: Am Beginn steht ein kurzes Gitarrensolo – ein Melodiefragment, welches dem nun folgenden Song Struktur gibt. Die textliche Ansage fällt umstandslos mit der Tür ins Haus: I’m going home, my baby – Ich komme nach Hause, mein Baby; Wiederholung; und nochmal, zur Verdeutlichung: Ich bin unterwegs, um mein Mädchen zu sehen. Viel reinzuinterpretieren gibt es in I’m Going Home wahrlich nicht. Trotzdem gilt der Titel, ein auf Speed-Geschwindigkeit hochgetunes Rock’n’Roll-Stück, auch fünfzig Jahre später noch als einer der Song-Knaller vom Woodstock-Festival im August 1969. Zur dazugehörigen Band gab es bis dato wenig zu sagen. Einerseits gehörten Frontman Alvin Lee und seine Bandkollegen zur Altvorderen-Garnitur der britischen Rockszene. Andererseits waren Ten Years After alles andere als ein exquisites Modell. Die halbe britische Rockszene war zu jener Zeit dabei, ihre Musik umzustellen – von den immer noch halbwegs europäisch klingenden Merseybeat-Rhythmen der Beatles-und-Stones-Ära auf gitarrenaufgetunten, möglichst laut zu spielenden Blues.
Hoffnungstäger der neuen Richtung – jedenfalls eine Zeitlang – waren Cream mit ihrem Gitarrenvirtuosen Eric Clapton. In der Breite war der neue Trend jedoch derart unterfüttert, dass sich eher die Frage stellte, wer damals nicht Blues spielte. Was war geschehen? Man könnte es sich einfach machen und sagen: Irgendwie lag er den Briten im Blut. Bereits zu Beginn der Sechziger hatten Bands damit begonnen, Stil, Instrumentierung und teilweise auch Songmaterial afroamerikanischer Bluesmusiker zu adaptieren. The Story of Bo Diddley war eines der herausragenden Stücke auf dem Einstandsalbum von Eric Burdon und seinen Animals. Das war 1964 – zu einer Zeit, in der die Beatles noch an ihrem mehrstimmigen Harmoniegesang feilten. Bluesig waren zu der Zeit Them, und auch die Stones bauten – im Gegensatz zu den Fab Four – stets nah an schwarzen Klängen. Die Bezeichnung Bluesrock hingegen etablierte sich erst zum Jahrzehntwechsel hin – zu jenem Zeitpunkt, als Bands damit begannen, den latenten Bluessound früherer Jahre zu einem härteren, offensiveren Blues hin aufzubohren. Ob Cream, Led Zeppelin oder eben Ten Years After: Stilistisch waren Hard Rock, Prog Rock, Bluesrock oder – später – auch White Blues ziemlich ein- und dasselbe. Erst später – im Verlauf der Siebziger – differenzierten sich die einzelnen Richtungen deutlicher aus.
Bemerkenswert am britischen Blues-Boom war die breite Verankerung in der britischen Arbeiterklassejugend. Darüber hinaus sind mehrere Aspekte erklärungsbedürftig. Zum einen die Frage, warum in den USA eine vergleichbare Bluesbegeisterung erst zehn Jahre später einsetzte. Ein möglicher Grund ist der, dass die US-Counterculture – frei nach dem Motto: »Dylan schlägt Canned Heat« – stärker von Mittelstands-Angehörigen geprägt war. Ebenso möglich, dass der Blues in seinem Ursprungsland bereits seit je her vorhanden war und von daher kein großes Ding. Nicht unwahrscheinlich ist schließlich, dass er von autochronen Gewächsen wie Rock’n’Roll oder Hillbilly überlagert wurde. Auf dem Schirm haben sollte man darüber hinaus ein weiteres Detail: Adaptiert, gepflegt und weiterentwickelt wurde nicht die Blues-Musik in all ihren Variationen. Vielmehr griffen die Musiker(innen) und Bands des White Blues auf eine ganz spezifische Blues-Richtung zurück: den Chicago Blues. Mit seiner elektrifizierten Gitarren-Dominanz war er – und nur er – problemlos anschlussfähig an das Standardkonzept typischer Rockbands. Die anderen Richtungen – die Barjazz- und Boogie-Woogie-Variante ebenso wie die rurale, nah an der Country-Musik angesiedelte – erlebten in den Folgejahrzehnten zwar ebenfalls ihre Revivals. Die echten, wahren und wirklichen Vorbilder lieferte allerdings nur das Dreigestirn der Chicagoer Spielart: Muddy Waters, John Lee Hooker und Howlin’ Wolf.
Alvin Lee und Rory Gallagher
Cream und (später) Eric Clapton mögen seinerzeits zu Superstars der neuen Richtung hochgehypt worden sein. Was den Authenzitätsfaktor anbelangt, sind allerdings Alvin Lee und Rory Gallagher die konkurrenzlosen Helden des Metiers. Beide begannen mit Band – Lee mit Ten Years After, Gallagher mit seiner Formation Taste. Beide reussierten in etwa zeitgleich. Zu Ten Years After gab es Ende der Sechziger wenig zu sagen. Vom Woodstock-bekannten I’m Going Home abgesehen machte die Band angenehm unpräzentiöse Rockmusik – weniger Soli-verliebt als die drei Cream-Superstars Clapton, Bruce und Baker, weniger heavy als Led Zeppelin oder Black Sabbath und etwas rockiger als Canned Heat (die einzige Band zu jener Zeit, die wirklich wie eine schwarze Combo klang). Alvin Lee, ein gebürtiger Midlander als Nottingham, hatte bereits zu Beatles-Zeiten Auftritte im Hamburger Star-Club absolviert. Seine Band blieb beachtenswerte sieben Jahre zusammen. Doch auch beim Solisten Alvin Lee änderte sich nicht viel: Formlose Jeans-Klamotten blieben ebenso seine Markenzeichen wie das Peace-Zeichen auf seiner Gitarre. Musikalisch überlebte er seine Zeit – sicherlich auch Dank dem zeitlos-beliebten I'm Going Home, der unbestreitbare, wahre und echte Höhepunkt jedes Alvin-Lee-Auftritts. In den letzten Jahren muss er es wohl ruhiger angegangen sein. Neuer Lebensmittelpunkt wurde die südspanische Stadt Marbella, wo er – ganz unspektakulär, möchte man sagen – 2013 an den Folgen eines chirurgischen Eingriffs verstarb.
Alvin Lee verstarb – vermutlich halbwegs mit sich im Reinen – im Kreis seiner Lieben. Rory Gallagher hingegen, geboren 1948 in der nordirischen Gemeindung Ballyshannon, war im wahrsten Sinn des Wortes krepiert: achtzehn Jahre zuvor, im Alter von 47 Jahren an den (alkoholinduzierten) Folgen einer Lebertransplantation. Musikalisch forcierten Lee und Gallagher einen recht ähnlichen Sound. Während Lee auf seiner Gitarre gerne Schnelligkeitskünste zelebrierte, orientierte sich Gallagher stärker an der Soloakrobatik eines Jimi Hendrix. Chaotisch und eruptiv war bereits der Einstieg mit seiner Band Taste. Auch Taste gaben ihren Einstand auf einem der berühmten Festivals, dem Isle of Wight 1970. Anders als Lee hatten weder Taste noch Gallagher DEN überragenden Hit. What's Going On war einer der bekannten Taste-Songs; Gallagher überraschte später mit Stücken wie Shadow Play (siehe Clip unten) und Tattoo’d Lady – eher im Blues-Bereich markant und gehaltvoll als große Hitparadenstürmer. Die Turbulenzen bei Taste zeigten in etwa die Richtung an, wie es mit Gallagher weiter gehen würde. Gallagher zerstritt sich mit seiner alten Formation, gründete eine neue, lieh sich Geld von seiner Mutter, um seine Rückkehr ins Busines zu finanzieren und etablierte sich am Ende gegen alle Regeln. Produktiv – mit durchschnittlich einem Album pro Jahr – war er allemal. Am Ende hatte er sich immerhin einen beachtlichen Platz im Ranking der besten Gitarristen aller Zeiten erkämpft: die Musikzeitschrift Rolling Stone listete ihn 2015 auf Platz 57.
Sowohl Rory Gallagher als auch Alvin Lee tut man Unrecht, wenn man sie allein auf den harten, druckvollen und Gitarre-lastigen Sound des Anfangssiebziger-Bluesrock reduziert. Lee war ein bekennender Elvis-Presley-Fan; sein Gitarrenspiel wies darüber hinaus auch freie, jazzartige Elemente auf. Rory Gallaghers Vorlieben waren vielleicht noch multipler. In einem Interview bekannte er: »Ich spiele nicht nur Blues. Mich haben auch Folk, Jazz und Rock'n'Roll beeinflusst: Eddie Cochran und Gene Vincent. So funktioniert Musik: es dringt an dein Ohr, und wenn es gut klingt, ist es das.« So klang es schließlich auch. Bemerkenswert an den beiden Boliden des britischen Bluesrock ist, dass im Oeuvre nicht nur schnelle, laute Nummern vorhanden sind, sondern auch folkige Stücke (bei Gallagher stärker) sowie Titel für Leute, die – aus welchen Gründen auch immer – gerade den Blues haben. Was die stilistische Vielfalt anbelangt, ist Gallagher wohl stärker aufgestellt. Doch auch Alvin Lee verstand es durchaus, bluesige Balladen oder Singer-Songwriter-lastige Rockstücke zu komponieren und zu spielen. Wir verabschieden uns an der Stelle mit The Bluesest Blues (Alvin Lee) sowie A Million Miles Away (Rory Gallagher).
ZZ Top und Stevie Ray Vaughan
Auf der westlichen Atlantikseite startete der weiße Blues zeitversetzt – mit einem Jahrzehnt Abstand. Ein solitäres Phänomen war die bereits erwähnte Formation Canned Heat. Bei den einschlägigen Subkultur-Events von Anfang an dabei, war die Band jedoch stetig von Tragik umflort. 1970 starb Band-Mitbegründer Alan Wilson, elf Jahre später Sänger Bob Hite. Der Rest war Abstieg in die Tristesse vorstädtischer Auftrittshallen. Bis weit in die Siebzigerjahre gab es in den United States keinen Act, der den britischen Formationen Paroli bieten konnte. Wo muss man den Beginn des White Blues made in USA ansetzen? Wie immer man es wendet: an ZZ Top führt kein Bart vorbei. Bluesrock nach Texas-Art war von Anfang an das Markenzeichen dieser Band – keine Schnörkel, reduzierte Instrumentierung, Kaprizierung auf das Wesentliche. Und den Rhythmus.
Erster Erfolgstitel war La Grange. Der 1973 veröffentlichte Song, im Kern ein ordentlich vor sich hintreibender Boogie, ist eine Hommage an die Chicken Ranch – ein Bordell in der zentraltexanischen Stadt La Grange, dass trotz strikter Gesetze von den örtlichen Behörden und Bürgern geduldet wurde. Mit leben und leben lassen nach Texas-Art war es nach dem Erfolg des ZZ-Top-Stücks vorbei. Ungeachtet einer Petition lokaler Bürger, Politiker sowie des örtlichen Sheriff-Departments bestand Gouverneur Dolph Brisco darauf, den sittentechnischen Schandfleck zu schließen. Ob der Erfolg der ZZ-Top-Einspielung daran schuld trug oder aber ein TV-Feature über die Chicken Ranch, welches im gleichen Jahr ausgestrahlt wurde, bleibt Auslegungssache. Problematisch ist La Grange allerdings aus einem weiteren Grund. Melodie, Komposition und Rhythmus sind unüberhörbar an John Lee Hookers Boogie Chillen angelehnt. Folgerichtig kam es so, wie es in derlei Fällen kommt: Der Rechteinhaber in Form des Komponisten trat auf den Plan. Die Bluesrock-Aspiranten aus der texanischen Hauptstadt hatte allerdings Glück. Ein Gericht entschied, das der Urheberschutz für Boogie Chillen bereits abgelaufen war.
ZZ Top blieben ein Phänomen. Ein Phänomen, das vermutlich auch deshalb zum zeitlosen Phänomen wurde, weil die Band sich auch optisch-auftrittstechnisch gut vermarktete. Sonnenbrillen, Hinterwäldler-Hüte sowie lange Bärte – das Ganze also so recht nach Texas-Art – gehörten ebenso zum Inventar wie die stetigen Clownereien von Frontman Billy Gibbons (hier in einem fachmännischen Schwanzlängenvergleich mit Ex-CCR John Fogerty). Waren ZZ Top eher für das coole, nicht ganz so ernste Role Model zuständig, spielten und sangen sich andere Top-Acts der Szene die Seele aus dem Leib. Darunter: Stevie Ray Vaughan, geboren 1954 im texanischen Austin und der kleine Bruder von ZZ-Top-Kumpel Jimmie. Stevie und seine Band Double Trouble starteten erst zum Jahrzehntende hin durch. Ein gutes Jahrzehnt später war bereits final Schluss: 1990 kam Vaughan bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben – womit nicht nur ein weiterer Musiker auf diese Art endete, sondern einer, der bereits zu Lebzeiten den Eindruck eines Virtuosen vermittelte, der am Ruf für die Nachwelt bastelt.
Hörenswerte Bluestitel, denen Stevie Ray Vaughan sein Gitarrenspiel und seine Stimme verlieh, gibt es eine Reihe. Sein bekanntestes Stück bleibt wohl Pride and Joy (siehe oben) – laut sachverständiger Einordnung von Vaughan-Biograf Hugh Gregory ein »klassischer Texas-Shuffle«. Bemerkenswert ist das Stück auch deswegen, weil es es – als einer der wenigen Songs, die nicht von Weißen stammen – in die inoffizielle Hall of Fame der ewiggültigen Blues-Standards geschafft hat. Gleiches könnte man auch über Bad to the Bone von George Thorowgood sagen – ein Stück, das ebenfalls eng angelehnt ist an einen älteren Klassiker (Manish Boy von Muddy Waters), ungeachtet dessen jedoch als eigene Kaliberklasse gilt. In die Riege der bislang Vorgestellten mag Thorowgood mit seinem satten, bläseruntersetzten Sound vielleicht nur bedingt reinpassen. Wer jedoch den im Clip dokumenierten Live-Auftritt von anno 1984 aufmerksam verfolgt, wird möglicherweise vielleicht etwas anderes bemerken: dass sich da irgendwas überlebt hat. Womit es Zeit wäre, den roten Faden des White Blues in die modernen Zeiten des neuen Jahrtausends weiterzuverfolgen.
Moderne Zeiten
Das Verhältnis zwischen dem weißen Blues und dem originären, afroamerikanischen Blues war von je her ein ambivalentes. Die Chicago-Richtung war lediglich eine spezielle Machart des Genres. Böse gesagt könnte man die These aufstellen, dass die Musiker und (wenigen) Musikerinnen des White Blues sich auf eine Unterrichtung kapriziert hatten und im Anschluss behaupteten, dies wäre »der« echte, originale Blues in seiner Gesamtheit. Ungeachtet dessen führte die Ambivalenz zu einer gegenseitigen Durchdringung, welche durchaus bemerkenswert ist. Eines der gelungensten Beispiele ist ein Club-Auftritt in Chicago 1981, den drei Fünftel der Stones zusammen mit Altmeister Muddy Waters absolvierten. Die im Clip zu Baby Please Don't Go (siehe oben) festgehaltene Stimmung ist in mehrererlei Hinsicht bemerkenswert: Der filmische Dokumentationsanspruch ist handwerklich nachgerade exzellent in Szene gesetzt. Darüber hinaus dokumentiert der Auftritt, wie nah Schwarz und Weiß auch personell zusammenhingen. Oder, anders formuliert: wie unsinnig eine musikalische Aufdröselung entlang der Hautfarbe ist.
Die Klassiker des Genres? Hat man recht schnell auf den Kasten. Von Muddy Waters gehören dazu: Manish Boy natürlich, dazu Hoochie Coochie Man und vielleicht Rollin’ and Tumblin’. Von John Lee Hooker sind Boogie Chillen, Boom Boom sowie Dimples aufzuführen, von Howlin Wolf Smokestack Lightning, Spoonful und eventuell Back Door Man. Ein Dutzend weiterer Titel schadet nicht; mit diesen zehn (zusammen mit Baby Please Dont Go) ist man jedoch im Club mit dabei. Als Songschreiber mit aufzuführen wäre sicher noch Willie Dixon. Die Tatsache, dass im Blues-Metier überdurchschnittlich viel Cover-Versionen eingespielt werden, ist allerdings ein untrüglicher Hinweis darauf, dass Tradition im Metier sehr hochgehalten wird. In dem Punkt ähnelt die Szene stark der der Jazz-Liebhaber(innen). Dieses Traditionsbewusstsein, dieses bewusste sich aus der Hektik der Zeit Herausfallen-Lassen hat zweifelsohne was Symphatisches. Die Nebenwirkung der Transformation von Haupt- zu Nischenpublikumsrichtung ist allerdings das gnadenlose Urteil der Folgekohorten.
So ging es auch auch dem Bluesrock. Das allmähliche Aus-der-Zeit-Fallen war Bestandteil einer Umkonnotation, in deren Gefolge sich nicht nur die modernen Identitätspolitik-Sichtweisen flächendeckend durchsetzten. Flankierend erfuhr auch der alte, traditionalistische Rock der Siebziger Jahre geharnischte Kritik. Punk, Indierock, Hip Hop und Techno begannen, die alten Terrains zu besetzen. War oder ist (traditionelle) Rockmusik ein Fall fürs Altenteil, ein aussterbendes Subjekt – wie es beispielsweise der Kommentar »Opas Jugendkultur« im Kölner Stadt-Anzeiger vom Januar 2011 auf den Punkt zu bringen versucht? Zusätzlich mutierte der – von SPEX-Musiktheoretiker Dietrich Dietrichsen lancierte – Begriff »Rockismus« zu einer Art kulturideologischem Kampfbegriff. Der kurzen Wikipedia-Variante zufolge ist darunter ein männlich geprägtes Formenrepertoire von Rockmusik zu verstehen, vorkommend vor allem in traditionellen Richtungen wie Bluesrock, Metal und ähnlichen. Die Übersetzung des Eintrags aus der englischsprachigen Lexikonausgabe legt die dazugehörigen Parameter etwas ausführlicher dar. Man kann sich auch weiter in die Kleinteiligkeit von Foren wie zum Beispiel bei plattentest.de hineinbegeben, wo Musikfans herauszufinden versuchen, was etwa den Unterschied zwischen melodiebetontem Tanzen (= gut, fortschrittlich) und dem rhythmusbetonten, traditionellen genau ausmacht.
Sicher kann man sich allgemein die Frage stellen, ob theoretische Schubladisierungen dieser Sorte Musik generell gerecht werden – ebenso, ob Indierock oder Techno ganz auf Rhythmus verzichten und ausschließlich unbedenkliche Melodik zelebrieren. Sicher – speziell die White-Blues-Szene ist extrem traditionalistisch ausgerichtet. Aber: sie lebt. Und auch an hoffnungsvoll-professionellen Nachwuchs besteht im neuen Jahrtausend kein Mangel. Ein Altvorderer der gegenwärtigen Blues-Generation ist etwa der Ex-Indierocker und Singer-Songwriter Dave Alvin. Zusammen mit seinem Bruder Phil und ihrer Band The Blasters machte der aus Los Angeles stammende Alvin bereits in den Achzigern extem druckvollen, Rockabilly-geschwängerten Roots Rock. Auch das intelligentere Geschlecht hat sich in der Szene zwischenzeitlich einen festen Platz geschaffen. Zu nennen wären an der Stelle etwa Bonnie Raitt, Sue Foley, Rory Block, Imelda May, Anne Cox, Susan Tedeschi oder die serbische Gitarristin Ana Popović.
Fazit: (zumindest mittlerweile) also weniger machistisch, als manche denken. Selbst Traditionsfan Dave Alvin tourte jahrelang mit einer ausschließlich aus Frauen besetzten Begleitgruppe, den Guilty Women. In Sachen Richtungsbreite differenzieren sich die Koordinanten ebenfalls immer weiter aus. Die Seite popkultur.de listete unter den erfolgreichsten Bluessängern und -sängerinnen mehrheitlich Acts, die NICHT der Chicago-Richtung zugehörig sind – unter anderen: Billie Holiday, Etta James, Freddy King, Janis Joplin, Tom Waits und Aretha Franklin. Das zeigt nicht nur, wie groß die Spielbreite des Genres ist. Franklins Auftritt in dem Film-Klassiker Blues Brothers (siehe unten) stellte darüber hinaus bereits 1981 unter Beweis, dass es beim Blues im Wesentlichen um eine Haltung geht, um Stil im Auftreten und – eben um Toleranz sowie eine Prise Reflektiertheit.
Insofern scheint der Blues in all seinen Ausdrucksweisen besser zum mittigen, demokratischen und tendenziell (vielleicht) etwas sozialer/integrativer werdenden Amerika zu passen als zu dessen rechtsreaktionären Zerstörer(innen). Und auch Europa kann sich von dieser Traditionsrichtung das ein oder andere abgucken. Etwa, dass man gute Sachen – wie zum Beispiel einen halbwegs leidlich funktionierenden Sozialstaat – nicht achtlos wegschmeißt.
Info
»Mashups« (siehe Wikipedia) sind Samplings, bei denen zwei oder mehr Musikstücke zu einem zusammengesamplet werden. Die Beitragreihe »mashupt« Themen, Künstler(innen) und Stile der Pop- und Rockmusik.
Staffel 1: (1) Hardrock versus Country | (2) Stones versus Dylan | (3) Feuerzeugballaden | (4) Funk versus Soul | (5) Wader versus Scherben | (6) Clash versus Cure | (7) Der »Club 27« | (8) Reggae-Time | (9) Venus, Glam & heiße Liebe | (10) Raves & Bytes
Staffel 2: (1) Die Hüter der Tradition | (2) Die Weitergabe der Staffel | (3) Gabriel und Werding | (4) Global Villages
Die nächste Folge widmet sich ganz viel Musikerinnen und einem Genre, in dem sie besonders brillierten: dem Blue Eyed Soul. Haupt-Acts: Sade, Vaya Con Dios und Amy Winehouse.
Kommentare 46
Ich war mal krasser Rory Gallagher - Fan, ich hatte schon den Namen vergessen.
Shame on me.
:-(
Aretha Franklin geht immer
:-))))
Bei den 60-ziger Jahren haben Sie meiner Meinung nach zwei bedeutende Namen vergessen: Alexis Korner, außer vielleicht den Beatles haben viele Musiker bei ihm gespielt und später gründeten sie eigene Bands wie u.a. Mick Jagger und Buddy Guy, für mich ein Vorgänger von Jimi Hendrix.
Ansonsten wieder mal ein hervorragender Artikel.
Alexis Korner – ebenso auch John Mayall – war als Netzwerker sowie Musiker für die britische Bluesszene von außerordentlicher Bedeutung. Allerdings ist es wie bei allen Artikeln: eine Genre-Chronologie können sie nicht liefern. Dafür auch die vielen Links ;-) – da haben Interessierte wenigstens die Chance, sich noch ein bißchen tiefergehender kundig zu machen.
Was Aretha Franklin angeht: die Einen sagen so, die Anderen so. :-)
Wenn der geneigte Kritiker schon die Lupe herausholen muss, um ein wänziges Haar in der Suppe zu finden, ist alles gesagt.
Chapöchen!!!
Ich musste lang reifen, bis ich den Wert des Blues zu lieben gelernt habe. Nach einigen Auftritten von Chris Farlowe im (alten) Marburger KfZ war ich so weit.
Unsere Erinnerung ist der einzige Ort, aus dem wir nicht mehr vertrieben werden können.
Rock on!
Sonnenbrillen, Hinterwäldler-Hüte sowie lange Bärte- und natürlich Hot Rods aus dem legendären So Cal’s Speed Shop waren / sind das Markenzeichen von ZZ Top. Nebst Cadzilla natürlich. Jetzt ist es der Whiskey Runner. Die Kustom Kulture gehört zu ZZ Top, wie die Gitarre zu Billy Gibbons.
Großartig.
>> serbische Gitarristin Susan Tedeschi.<<, kann das stimmen?
Dass der Drogen- und Alkoholabhängige Rory Gallagher eine Lebertransplantation bekommen konnte, verwundert. Das geht meist schief.
Blues- Rock und Woodstock- Ära, um 1969: Da gab es doch auch die Winter- Brüder, John und Edgar, weiß und mit stechend roten Augen. "Johnny" spielte auf dem Festival. Die waren beide extrem innovationsfreudig und virtuos, nicht nur an der Gitarre, sondern auch immer mit dem Blues unterwegs.
Sie haben, nach Woodstock, in langen Musikerkarrieren, als Produzenten, Studio-, Band- und Filmusiker, als Komponisten und Arrangeure, dutzende Talente weitergebracht und beeinflusst.
Johnny produierte u. a. die Alben zur zweiten oder dritten Karriere seines farbigen Blues- Idols, Muddy Waters.
Bin gespannt, wie das nächste musikalische Wimmel- Blog ausfällt.
Beste Grüße und gutes Wochenende
Christoph Leusch
Heidenei – der Fehlerteufel mal wieder; hier verursacht durch eine Verwechslung. Da Tedeschi ebenfalls unbedingt aufführenswert ist, habe ich die ursprünglich gemeinte serbische Gitarristin Ana Popović im Beitrag mit eingefügt.
Lebertransplantationen gehen in der Tat meistens schief – wie ich aus unmittelbarer Bekanntenkreis-Anschauung bezeugen kann. Vertrug das Ding nicht; der Rest vom Elend waren dann, so ich mich recht erinnere, noch zwei, drei Monate.
Johnny & Edgar Winter wären für den Beitrag ebenfalls prädestiniert gewesen. Die übliche Crux: man muß halt auswählen.
Gleichfalls Gruß + schönes Wochenende, R. Z.
Vielleicht der beste in einer Reihe von wirklich guten Artikel. An vielen Punkten gibt es von mir einen lauten Beifall.
La Grange als Plagiat von Boogie Chillen von John Lee Hooker. Unbedingt. Übrigens nicht das einzige Mal. ZZ Top bedienten sich 1996 mit Vincent Price Blues bei einer russischen Band namens Aliza. Auch Led Zeppelin hat so manches Plagiat zu bieten - unter anderem bei Muddy Waters. Kurz gesagt - das war schon immer so in der populären Musik.
Rory Gallagher und Ten Years After und nicht Cream und Clapton voranzustellen - so erwirbt man sich ungewollt meine Sympathie. Dann noch das Lob für Canned Heat - sehe ich absolut genauso. Zu Rory Gallagher habe ich ein Konzerterlebnis beizutragen. Den hätte ich wirklich gerne live erlebt. Er war auf einem Festival auch mal angekündigt, auf dem auch Roger Chapman auftrat. Aufgrund einer kurzfristigen "Erkrankung" mußte Ersatz her. Der Veranstalter hatte Kajagoogoo ohne Limahl verpflichtet...
Zu ZZ Top. Es dürfte so ziemlich das einzige Mal gewesen sein, in Europa wurde eine Band durch ein einziges Konzert bekannt. Rockpalast-Nächte wurden damals zelebriert. Man saß mit Kumpels zusammen. Keiner kannte vorher ZZ Top. Der Anfang war für uns merkwürdig und wurde mit den Worten "wat is dat denn?" kommentiert. Die ersten drei Songs gingen dann wie ein Hammer durch unsere Köpfe. Klar "optisch-auftrittstechnisch gut vermarktet" ist die absolut richtige Bezeichnung, aber das war schon immer auch ein Teil der erfolgreichen populären Musik. Das begann nicht erst bei den Pilzköpfen der Beatles. ZZ Top bereicherten jedenfalls die Rockmusik mit einem ganzen Dutzend überragender Songs sowie mit einem meiner Lieblingsalben "Degüello".
Zum afroamerikanischen Blues. Muddy Waters, Howlin' Wolf, John Lee Hooker - in diese Reihe gehört unbedingt auch der erwähnte Willie Dixon, der irgendwie überall mitmischte. Auch 1964 bei Koko Taylor - einem der besten Bluesrocksongs der 1960er. Die Fokussierung auf den Chicago Blues liegt vielleicht auch daran, der war härter und hatte mehr R&R-Einflüsse, wie man an Bo Diddley hört.
Wenn es um Show, um R&R, Bluesrock etc. geht - immer wieder kommt man auf Screamin' Jay Hawkins, von dem John Fogarty meines Erachtens auch sehr stark beeinflußt wurde. Wenn man dessen Auftritte sieht, fällt einem auch noch Ozzy von Black Sabbath ein, dessen Bühnenshow gegen die von Screamin' Jay eher wie Sesamstraße daherkommt. Hawkins hier mit einem überragenden Blues.
Auch das Fazit findet meinen ungeteilten Beifall. Dietrich Dietrichsen oder auch "Opas Jugendkultur" - da sind einige Kritiker speziell in Deutschland in ihrem eigenen seit Jahrzehnten angeschmorten Saft ersoffen. Der Bluesrock lebt und bezieht aus vielen Sparten Einflüsse. R&R, Swing, Punk. Er findet nicht mehr so richtig den Zugang zu den Medien, aber bringt immer wieder im Verborgenen Phantastisches hervor. Ich denke da grad an den Australier Juke Baritone mit seinen Swamp Dogs, der zwei CDs herausgebracht hat. Und nach meiner Vermutung das Geld für die dritte CD versoffen hat. Es sei ihm vergönnt. "The Salted Man" gehört zu meinen Lieblingsscheiben und "Hey God" zu meinen Bluesrockfavoriten. Hier ist übrigens der Text genial.Danke für den Beitrag!
Ich habe diese Musik nie so "systematisch" betrachtet. Sie war ganz einfach "meine" Musik, seit ich als 15-jähriger die Plattensammlung meiner Tante geerbt hatte, die sich in einer Depression das Leben genommen hatte. In der Sammlung waren Originale dabei von Vanilla Fudge, Rolling Stones, Taste, Cream etc.
Für mich waren Cream die Größten. Heute würde ich wohl eher zu Gallagher tendieren. Aber an Cream war für mich auch immer der Aspekt interessant, dass da kein Frontman mit Begleitband war, sondern drei starke Individuen, die alle auf ganz unverkennbare Art den Sound prägten. Das wilde Improvisieren war sicher auch ein Element von "seht her, wie geil ich bin", aber es drückte diese äußerst fragile Balance zwischen den dreien aus, und allein das hatte was.
tja, weißer blues kann ausdrucks-voll und "sozialisierend"(socializing,
geselligkeit-erzeugend) sein, hat aber die fatale neigung zum pompösen
auftritt/zum distinktiven, amplifizierten overkill
und geht dann ins posen-/klamauk-hafte über
(nicht alle tejanischen blues-gitarristen verfallen dem).
Der weiße Blues konnte nur in Großbritannien entstehen. Zu der Zeit gab es in den USA noch rassengetrennte Konzerte. Auch Jimmi Hendrix begann seine Karriere in GB.
Was wäre Led Zeppelin ohne Willie Dixon ?
!!!!
(& @mbert:)
Schön, dass es gefallen hat; ansonsten bemühe ich mich natürlich, dass alle Folgen möglichst gleich gut sind ;-).
Zu Rory Gallagher und Alvin Lee kann ich nur sagen, dass mir ebendiese Auswahl beim Verfassen fast zwingend erschien. Persönlich habe ich leider nur Alvin Lee mal live erlebt (Burg Herzberg Festival, 2001); Rory Gallagher ist mir in diesem Leben leider entgangen.
Als jemand, der musikalisch stets stark zwischen den Welten rumgewandert ist, ist mir im Nachhinein aufgefallen, WIE gut die beiden sind. Auch hier würde ich Gallagher nochmal ein kleines Plus draufgeben. Der Live-Clip von »Shadow Play« bringt meines Erachtens gut rüber, was für ein Energiebündel er auf der Bühne war. Bemerkenswert finde ich darüber hinaus die Menge an Druck (um den es beim RnR letzten Endes geht), den diese drei-Mann-Kapelle aufbauen konnte.
Zu Cream: Die waren auch bei mir damals zentral auf dem Schirm. Ich fand sie auch nicht schlecht; oder konkreter: wie alle einschlägigen Bands haben wir sie damals rauf und runter gehört. Warum zumindest ich persönlich Gallagher und Lee bei der Richtung vornan stelle, habe ich in den Absätzen obendrüber bereits begründet. Mein persönlicher Zugang zu ZZ Top kam vergleichsweise spät. Um ehrlich zu sein: erst, seit ich mich auch textlich etwas tiefer mit der Materie befasse. Zu Fogerty und seine Einflüsse: volle Zustimmung. Wobei es mir ein Grinsen auf die Lippen getrieben hat, als mir kürzlich Eileen Jewells* Version von »Green River« über den Weg gelaufen ist – ganz andere Baustelle, vom Country zum Roots Rock und so zu CCR. Aber ein guter Beleg für meine Theorie, dass Musikwissenschaftler eifrig damit beschäftigt sind, Schubladen aufzubauen – und Musiker, sie über den Haufen zu werfen ;-).
* okay, kennt man hierzulande kaum – in meinem RnR-Universum jedoch absolute Olympia-Klasse
Zu Gallagher: Shadow Play ist auch eines meiner Lieblingslieder, aber da bevorzuge ich tatsächlich ein wenig die Studio-Version - das Album "Photo Finish" ist überhaupt mit das beste, was er gemacht hat. Wenn es um Live-Versionen geht, geht für mich absolut nichts über das grandiose Walk on Hot Coals vom "Irish Tour" Album. Das ist für mich auch ein Superbeispiel für das, was ich an seinem Solospiel so genial finde: dieses Händchen für Melodieführung und überraschende Harmonie, womit er zwar im Blues verwurzelt bleibt, aus dem Genre aber doch immer wieder ausbricht.
Hab von dem Stück noch eine Bewegtbild-Version von der Irish Tour 1973 aufgetan. Kann allerdings auf die Schnelle nicht sagen, ob die beiden Aufnahmen dieselben sind.
Tour 74.
Ist von der selben Aufnahme, aber ohne den Anfang.
Ich finde beim Rory (einem meiner Helden) ist Dir eine exzellente Songauswahl gelungen. „A million miles away“ ist eines meiner Lieblingslieder. „Walk on hot coals“ ist aber gerade bei der Irish Tour ein Highlight (das Solo). Rory ist einer der größten Gitarristen, die es je gab. Es gibt da noch eine phantastische Version von „Out on the Western Plain“ vom Rockpalast auf der Loreley. Da sind mir beim Solo damals die Augen rausgefallen. Finde ich bei YouTube leider gerade nicht, gibt es aber, habe ich dort schon gesehen.
Wir scheinen da ziemlich den gleichen Geschmack zu haben. Rory, Ritchie, ich werde sie immer lieben.
»(…) eine phantastische Version von ›Out on the Westen Plain‹«
Meiner Meinung nach ebenfalls eines seiner besten Stücke. Bei YT habe ich immerhin diese Live-Version gefunden, anno 84, Ulster Hall in Belfast.
Auch der spätere Gallagher ist gut, kennst Du „Easy come easy go“ von der „Jinxed“, auch ein Superlied, wieder ganz anders, das obendrein durchaus ins Ohr geht, hier in einer Live-Version, die ich noch nicht kannte.
Wobei das gar nicht so spät war (1982), das Album "Jinx" heißt und der Song doch nicht live war. Aber sonst stimmt eigentlich alles. ;-)
Ein guter Song – nee, kannte ich bislang noch nicht. Wobei Gallagher, muß ich gestehen, bei mir derzeit eher eine Wiederentdeckung ist. Woran man sieht, dass Texte schreiben zuweilen auch eine bildende Funktion hat :).
Nur um den einen oder anderen Foristen (m/w), der/die es unter Umständen einmal nötig haben könnte, nicht zu verschrecken:
Lebertransplantationen gehen heute meist gut aus. Das 10- Jahresüberleben liegt bei über 70%. - Der Lebenswandel und stoffgebundene Süchte, sowie manches Mal noch eine zu laxe Therapie der infektiösen Grundkrankheiten (Hepatitiden) produzieren hingegen das Risiko des Scheiterns.
Ana Popović kann Bluesrock singen und die E- Gitarre spielen, keine Frage. Die hätte dann auch als Nachfolgerin gepasst.
Mich würde ja interessieren, wie die schwarzen Musiker auf die Übernahme der ursprünglich praktisch nur ihnen zugeordneten Stilrichtung reagierten. Es stimmt doch, dass in den 1960ern und den frühen 1970ern nur wenige US-Radiostationen überhaupt weiße Bluesmusiker spielten.
Dass sich Pop und Rock bedienten, ist ja nachvollziehbar. Das war auch eher keine Konkurrenz im eigenen Milieu. Die Größen der Branche, nicht nur beim "Schwanzvergleich", schworen ja alle auf jene Originale, deren Scheiben sie in ihrer Jugend ergattern konnten und mühten sich, wenigstens einmal bei einer Produktion, einem Gig oder einem Festival zusammen mit ihnen aufzutreten.
Übrigens luden die Obamas weiße und scharze Bluesmusiker und Fusionisten zu sich ins Weiße Haus ein, während Trump sich gerne mit einigen Country- Stars, wenigen Rappern und Rockern begnügte. Seine ungewöhnliche Affenliebe für Neil Young Songs, fand allerdings keine Gegenliebe bei dem Musiker. Im Gegenteil.
Nur weiter
Christoph Leusch
- was weiße (junge und alte männer) im blues ,
jenseits des gitarre-wichsens an zusammenspiel
(auch und gerade mit ihrem publikum) auf die bühne bringen können, zeigen
--->"ben harper und charlie musselwhite- live at the cigale"(2018)
- neben den britischen blues-heroen(mayall. korner)
kam weißer blues aus chicago: butterfield, bloomfield und s.o.
kalifornischer weißer blues schloß an(-->canned heat)
und ließ, im flower-power-milieu, bands und labels: florieren.
»Mich würde ja interessieren, wie die schwarzen Musiker auf die Übernahme der ursprünglich praktisch nur ihnen zugeordneten Stilrichtung reagierten.«
Um auf die Frage allgemein zu antworten: Registriert wurde der Trend, schwarze Musik zu adaptieren und sie dann unter einem »weißen« Level herauszubringen, durchaus. Dagegen was tun war zumindest bis in die Sechziger schwer. Den segmentierten Ethnien entsprachen segementierte Märkte; bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Rankings im afroamerikanischen Markt unter der Rubrik Race Records ermittelt.
Die Soul Music sowie die Bürgerrechtsbewegung brachen diese Mechanismen etwas auf. Mit dem Soul hatten die afroamerikanischen Musiker & Produzenten ein Ding, dessen Weißfärbung sie zumindest selbst bestimmen konnten. Was in der Folge auf stark unterschiedliche Weise gehandhabt wurde. Insgesamt ist die Wechselbeziehung zwischen schwarzer und weißer Musik gerade in den USA sehr komplex. Popmusikhistorisch ausgreifend behandelt diesen Aspekt der Titel »Der Tod des Rhythm & Blues« von Nelson George – leider nur noch antiquarisch zu kriegen, aber für diesen Aspekt der Musikgeschichte ein Standardwerk.
Abschließend hinzufügen würde ich, dass das Hauptproblem weniger der Musikklau war als vielmehr das rassistisch durchorganisierte Business und dahinterstehend die weiße Mehrheitsgesellschaft. Für deren große Teile afroamerikanische Musik eben unter einem Begriff firmierte, der mit »N« anfängt und mit »k« aufhört.
Was definitiv nicht stimmt. Bo Diddley trat 1955 vor Publikum in der Ed Sullivan Show live auf, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Erfolg in Europa hatte etwas mit dem American Folk Blues Festival zu tun. Konzerte der schwarzen R&R-Musiker wie Chuck Berry, Little Richard etc. erreichten schon in den 1950er Jahren ihr Publikum, Louis Jordan bereits in den 1940ern. In den USA spielte das Radio eine große Rolle. John Lee Hooker wurde dem weißen Publikum bereits in den 1940ern in Radiosendungen bekannt. Falsch ist auch, Jimi Hendrix habe seine Karriere in UK begonnen. Der war als Gitarrist der Isley Brothers und bei Little Richard durchaus schon ein wenig bekannt, seinen Durchbruch hatte er in New York.
daß schwarze ihr publikum erreichten, war nicht infrage gestellt.
das es "freak"-auftritte in mainstream-tv-shows gab, auch nicht.
das europäische interesse am blues kam via england/chicago.
die frühen hendrix-aufnahmen mit curtis knight sind hörenswert,
--->bryan "chas" chandler, bassist von den "animals",
brachte hendrix den durchbruch in europa.
"segmentierte märkte" und exkludierende produktionsmittel (labels)/
distributions-wege:
wer zahlt, bestimmt die musik.
danke für den lit-hinweis, was post-war-blues
-lektüre betrifft: bin ich unterbelichtet.
»"segmentierte märkte" und exkludierende produktionsmittel (labels)/ (…)«
Wozu auch die Labels mit zu rechnen sind, die Afroamerikaner (oder Angehörige anderer Minderheiten) für den schwarzen Markt mit aufbauten – darunter, um nur die Bekanntesten zu nennen, Chess, Stax, Atlantic Records und natürlich Motown.
Formen von Ausbeutung beinhalteten natürlich alle. Nur war es nie so, dass die afroamerikanische Musik in Reinform unter die Ausbeuter gefallen wäre.
Wenn man es ganz genau nimmt, kam es aus Deutschland. Die Organisatoren des American Folk Blues Festival kamen aus Frankfurt... Ich wollte damit auch nicht den Rassismus in den USA verniedlichen. Aber die schwarzen R&R-Musiker der 1950er dürften den Boden dafür bereitet haben, Rassismus nicht mehr für selbstverständlich zu halten. Little Richard, Chuck Berry etc. waren einfach cooler als Elvis (so richtig begeistert haben mich von den weißen R&Rern nur Bill Haley und Jerry Lee Lewis). Ich halte es nicht für Zufall, Martin Luther King und Malcolm X stießen bei den jüngeren US-Amerikanern auf Unterstützung. Musik spielt oft eine große Rolle bei gesellschaftlichen Veränderungen.
auch der gebrauchswert ist keine unschulds-form: ihm liegt eine geschmackliche
nach-frage zugrunde, die aus durchaus wandelbaren bedürfnissen kommt.
aber das muß man auch nicht b/p-auschal verdammen.
oda?
statt "ausbeutung" bevorzuge ich den ausdruck "verwertung"
in diesem zusammenhang.
die aus-wertung innovativer schöpfungen in wissenschaft und kunst
kann aber durchaus auch dem moralischen urteil unterliegen.
- L&R haben viel gutes getan für den schwarzen blues.
- die sicherung des zuwenig-bekannten begann mit
der congress-bibliotheks-archivierung(wie die musik der "indianer").
- die exposition des schwarzen blues für weiße geschah durch john hammond u.a.
- der weiße blues begann 1960 mit --->"blues incorporated" und -->"john mayall"
es gab 1971 aber auch musik, die nicht nur aus dem sessel hob,
sondern ein "alien-bewußtsein" hervor-rief:
---> john mclaughlins mahavishnu orchestra: the inner mounting flame.
Geht mir ja ähnlich. "La Gange" von ZZ Top kennt ja irgendwie jeder, aber den Titel kannte ich nicht. Aber, ich bau mir eine Wohngemeinschaft, Du Dir ein Denkmal.
Muss ich später mal reinhören, das andere echte Leben hat mich momentan im Griff, manchmal, mein ich, im Würgegriff. Bin aber mal aufs Alienbewusstsein gespannt.
la grange, lafayette county, bringt mich darauf:
heute ein städtchen, wo schon gähnen als gesteigertes vital-zeichen gilt.
der mythos des überbordenden bordell-betriebs ist
ein faszinosum für puritanische seelen, die texanische langeweile
als notwendiges fegefeuer durchstehen müssen.
da kann man verstehen, wenn es jugendliche aufschreie aus lubbock
gab, und verspätetes remmidemmi von rausche-bärten.
nach ner halben stunde auf der interstate 10, aus houston kommend,
den exit columbia, oder später weimar, spätestens schulenburg nehmen!
besser: nach austin oder san antonio durchfahren!
Viel Glück mit der WG. Was das Denkmal anbelangt, denke ich – in der Beziehung ganz Calvinist, dass dies nicht in meiner Hand liegt ;-).
"und verspätetes remmidemmi von rausche-bärten"
Ein verschollener Bruder von denen ist Philosoph geworden. ;-)
auf dem weg war ich auch,
bin aber, bemüht um sinnvolles masken-tragen,
auf die stoppeln gekommen...
ich wünsch dir mehr entspannungs-chancen...
Ist ein Erlebnis, mein Gott, was für eine musikalische dichte Zeit, so viele, so gute Leute.
Darauf einen Ochsenfrosch.