Gaza/Westbank: Es muss für Palästina Wahlen unter internationaler Aufsicht geben

Perspektive Die Erneuerung einer politischen Vertretung für die Bewohner in Gaza, der Westbank und Ostjerusalem ist nur mit Wahlen möglich. Und die brauchen internationale Kontrolle. Unter israelischer Besatzung ist eine Abstimmung unmöglich
Ausgabe 48/2023
Vollkommen zerstört: Wie kann es für die Bewohner Gazas weitergehen, sollten die Waffen irgendwann schweigen?
Vollkommen zerstört: Wie kann es für die Bewohner Gazas weitergehen, sollten die Waffen irgendwann schweigen?

Foto: Omar El-Qattaa/AFP/Getty Images

Vorerst kann nur darüber spekuliert werden, wie es mit den Palästinensern weitergehen soll. Ginge es nach der aktuellen israelischen Regierung, würde sie es nicht nur bei der Blockade rings um den Gazastreifen und bei einer Unterstützung der Siedlerbewegung im Westjordanland belassen, sondern das jetzt vom Krieg verheerte Gebiet wieder unter ihre vollständige militärische Kontrolle bringen wollen. Gegenüber der israelischen Bevölkerung würde man das als maximal mögliche Sicherheitsgarantie darstellen. Dies wäre allerdings weniger glaubhaft als vor dem 7. Oktober.

Keine Sicherheit ohne Frieden

Dieser Tag hält die Erfahrung parat, dass aus einem asymmetrischen Konflikt jederzeit die furchtbarsten Überraschungen erwachsen können. Zu hoffen ist, dass in Israel selber wieder politische Bewegungen an Einfluss gewinnen, die eine sichere Existenz des Landes nur dann gewährleistet sehen, wenn der Konflikt befriedet wird. Nur wie soll das gelingen?

Da erheblicher Druck in Israel selber erst wachsen müsste, steht die internationale Gemeinschaft in der Pflicht, kompromisslos die Selbstbestimmung beider Völker zu verlangen. Diese wäre entweder mit einer Zwei-Staaten- oder einer Ein-Staat-Lösung bei völliger Gleichberechtigung aller Bürger möglich und brauchte außer dem grundsätzlichen Einverständnis beider Seiten vor allem Zeit.

Am allerwichtigsten ist daher die Frage, wie es weitergehen soll, wenn die Waffen endlich schweigen. Unabhängig davon, ob der militärische Arm der Hamas besiegbar ist oder nicht, muss eine erneute militärische Besatzung des Gazastreifens durch Israel verhindert werden. Käme es doch dazu, wäre das international unter anderem deshalb scharf zu verurteilen, weil unter Besatzungsverhältnissen keine freien Wahlen stattfinden können. Diese sind schließlich das einzige Mittel, um die palästinensische Legitimität und die ihrer Repräsentanten zu erneuern.

Blauhelme zwischen Gaza und Israel

Eine solche Abstimmung wäre denkbar, wenn zwischen Gaza und Israel Blauhelme stationiert würden, wie sie zwischen Syrien und den von Israel besetzten Golanhöhen stehen. Blauhelme auch für die Westbank zu fordern, klingt utopisch, wäre aber die beste Gewähr dafür, dass die dort lebenden Palästinenser gegen Siedlergewalt und weitere Enteignung geschützt werden.

Israel hat bisher den Einsatz von Blauhelmen als Puffer zu den Palästinensern abgelehnt, weil das die Souveränität über die besetzten Gebiete sichtbar infrage stellen würde. Anders als medial vermittelt, ist es auch Israel, das Wahlen der Palästinenser seit Jahrzehnten verhindert. Fatah und Hamas haben immer wieder ihre Bereitschaft dazu erklärt, sofern daran auch die Menschen in Ostjerusalem teilnehmen können. Da dieses Gebiet bereit annektiert ist, stellt das den gordischen Knoten dar, der nur durch internationalen Druck zerschlagen werden kann.

Besonders die USA müssen sich überlegen, ob Israel seine Funktion als Vorposten ihres Machtanspruchs im Nahen Osten noch erfüllen kann, wenn es einen von der Mehrheit der Staaten als anachronistisch erklärten Kolonialstatus aufrechterhält. Wenn die USA weiterhin nicht helfen, die Würde der Palästinenser wiederherzustellen – und zwar nicht als Almosenempfänger, sondern als sich selbst verantwortende Nation –, ist abzusehen, dass ihr Ansehen im Nahen Osten und in der ganzen islamischen Welt noch mehr ramponiert wird.

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