Mit Aktien ins Weiße Haus: Wie „Truth Social“ den Wahlkampf von Donald Trump mitfinanziert

USA Seitdem „Truth Social“ an die Börse ging, darf sich der Ex-Präsident nun auch Tech-Milliardär schimpfen. Das Unternehmen ist für Donald Trump eine lukrative Möglichkeit, auch weil ihm fremde Regierungen so Geld zukommen lassen könnten
Ist orange und braucht das Geld: Donald Trump
Ist orange und braucht das Geld: Donald Trump

Foto: Scott Olson/ Getty Images

Donald Trump ist nicht mehr nur Unternehmer, Reality-Tv-Star, Ex-Präsident, ein verurteilter Betrüger und Sexualstraftäter, sowie der republikanische Kandidat für die Wahl 2024, sondern neuerdings auch Tech-Milliardär. Das Unternehmen hinter seinem Kurznachrichtendienst Truth Social ist seit kurzem börsennotiert und die Aktienpreise sind wegen Trumps eifrigen Fans übermäßig aufgepumpt und instabil. Das Ganze scheint wie alles zu sein, wo Trump die Finger im Spiel hat: lukrativ, chaotisch und in immer wieder erstaunlicher Nähe zu zwielichtigen Geschäften. Aber der Reihe nach.

Die Geschichte von Trumps neuem Tech-Reichtum beginnt im November 2020. Trump verbrachte die Zeit nach (und vor) der verlorenen US-Präsidentschaftswahl damit, auf Twitter Verschwörungstheorien über angeblichen Wahlbetrug zu verbreiten und Joe Bidens Sieg in Frage zu stellen. Der tragische Höhepunkt dieser Lügen kam, als am sechsten Januar 2021 seine Unterstützer, die er monatelang aufgewiegelt hatte, das Kapitol in Washington stürmten. Fünf Leute kamen infolgedessen ums Leben.

In den Tagen darauf schmissen fast alle großen Tech-Unternehmen Trump von ihren Plattformen, weil er die Gewalt aktiv angestachelt hätte. Besonders durch den Verlust von Twitter büßte er so sein effektivstes Megafon ein. Zwei ehemalige Teilnehmer an Trumps Reality-TV-Show Celebrity Apprentice witterten eine Chance für ein gutes Geschäft und schlugen dem (nun Ex-)Präsidenten vor, eine eigene Plattform aufzubauen. Gemeinsam gründeten sie kurz darauf die Trump Media & Technology Group, 2022 brachte dieses Unternehmen Trumps hauseigenen Twitter-Klon hervor: Truth Social.

Truth Social machte letztes Jahr umgerechnet 54 Millionen Euro Verlust

Der Kurznachrichtendienst bewarb sich als zweierlei: Der Ort, an dem Trump fortan posten würde; und als Plattform ohne Zensur oder „Cancel Culture“ – ein wenig subtiles Signal, dass rechtsextreme Standpunkte und Verschwörungstheorien also im Gegensatz zu Facebook, Twitter und Co. willkommen sein würden. Ebensolche Akteure haben seitdem auch einen großen Teil der aktiven Nutzerschaft der Plattform ausgemacht, die dennoch noch immer recht klein ist. Laut der Webanalysefirma Similarweb hat Truth Social bis heute nur knapp fünf Millionen monatlich aktive Nutzer:innen. Zum Vergleich: Bei seinem Börsengang hatte Facebook 845 Millionen monatliche Nutzer und Twitter immerhin 215 Millionen.

Und nicht nur das machte den Börsengang der Plattform am 26. März ungewöhnlich.

Da ist zunächst das Alter: Truth Social ist gerade einmal zwei Jahre alt. Reddit, ein weiteres soziales Medium, das im März sein Börsendebüt wagte, war zu diesem Zeitpunkt mit 19 Jahren schon volljährig und Twitter und Facebook mit sieben und acht Jahren immerhin im Grundschulalter. Truth Social hingegen ist ein Kleinkind und völlig unerprobt. Das zeigt sich wohl am besten an den umgerechnet 54 Millionen Euro Verlust, die das Unternehmen erst vor wenigen Tagen für 2023 offenlegte.

Dann ist da auch die Art des Börsengangs. Denn Truth Social beziehungsweise die Trump Media & Technology Group (TMTG) sind nicht selbst an die Börse gegangen, sondern nutzte eine sogenannte Spac, eine „Special Purpose Acquisition Company“, auch Blankoscheck-Gesellschaft genannt. Solche Spacs sind oft wenig mehr als Briefkastenfirmen ohne eigenes Geschäft, die als leere Hüllen nur an die Börse gehen, um dann ein anderes Unternehmen zu kaufen. Das gekaufte Unternehmen, in diesem Fall TMTG, ist dann automatisch börsennotiert, ohne den oft langwierigen traditionellen Prozess zu durchlaufen. So kann man sich eine Menge Papierkram sparen. Probleme gab es dennoch.

Die Börsenaufsichtsbehörde verzögerten mit Untersuchungen wegen möglichen Wertpapierbetrugs den Zusammenschluss der beiden Unternehmen um ein ganzes Jahr, bevor TMTG den Streit mit einer Zahlung von fast 17 Millionen Euro beilegte. In dieser Zeit schrieb TMTG Monat um Monat erhebliche Verluste. Wie der Guardian nun aus geleakten Dokumenten erfuhr, ließ Trump sich womöglich vom ES Family Trust und der Paxum Bank mit undurchsichtigen Krediten in einer Gesamthöhe von über sieben Millionen Euro aushelfen. Beide Entitäten stehen ganz oder teilweise unter der Kontrolle von Anton Postolnikov, einem russisch-amerikanischen Geschäftsmann, gegen den das FBI wegen Wertpapierbetrug ermittelt und dessen Onkel Beziehungen zu Wladimir Putin pflegt.

Trump oder TMTG wird zu diesem Zeitpunkt von den Ermittlern nichts vorgeworfen, doch Postolnikov und auch mehrere andere haben mit Trumps Spac verdächtig lukrative Aktiengeschäfte gemacht. Michael Shvartsman, ein Geschäftspartner von Postolnikov, wurde zuletzt des Insider-Tradings angeklagt und hat sich zusammen mit seinem Bruder Gerald inzwischen schuldig bekannt. Auch für normale Investoren verlief der erste Tag an der Börse äußerst aufregend. Der Handel mit den Aktien musste sogar kurzzeitig pausiert werden, weil der Preis so volatil war – er schoss von den ursprünglichen 46 Euro auf über 72 Euro und sackte dann wieder um einiges ab. TMTG war zwischenzeitig fast neun Milliarden Euro wert.

Der Grund liegt nicht in guten Finanzen oder dem stabilen Geschäftsmodell (Erinnerung: nur fünf Millionen monatliche Nutzer und 54 Millionen Euro Verlust in 2023), sondern natürlich an Trumps Profil und seiner kultgleichen Fangemeinde. In den sozialen Medien brüsteten sich seine Anhänger damit, Anteile nicht für den Profit gekauft zu haben, sondern nur um Trump zu unterstützen – die Aktienkäufe sind dann weniger finanzielle Entscheidungen als identitätspolitische Statements. Ob das genug ist, um den Preis dauerhaft auf diesem unnatürlichen Niveau zu halten, ist fragwürdig.

Fremde Regierungen könnten einem künftigen Präsidenten Trump indirekt Geld zukommen lassen

Es gibt immer mal wieder solche emotional aufgeladenen Aktien, sogenannte „Meme-Stocks“, die rasant an Wert gewinnen und dann meist schnell wieder kollabieren. Für Trump ist es jedoch so oder so ein dringend benötigter Geldsegen. Kurz zuvor war er nicht in der Lage, in einem New Yorker Betrugsfall eine Kaution von rund 418 Millionen Euro zu hinterlegen. Er zahlte sie erst, nachdem ein Gericht sie auf 161 Millionen Euro gesenkt hatte. Seine TMTG-Anteile, die derzeit rund 3,5 Milliarden Euro wert sind, kann er zwar erst in ein paar Monaten verkaufen, aber mittelfristig könnte das Unternehmen für ihn zur wichtigen Geldquelle werden – und für andere ein direkter finanzieller Draht zu einem US-Präsidenten. Denn so dramatisch diese Möglichkeit auch ist: Trump hat eine gute Chance, im November ein zweites Mal gewählt zu werden.

Dann könnten zum Beispiel fremde Regierungen und andere Akteure Aktien von TMTG erwerben oder für Werbung auf Truth Social zahlen, um ihm indirekt Geld zukommen zu lassen oder sich bei ihm einzuschmeicheln. Dafür gäbe es wenig legale Hürden, höchstens einige Ethik-Richtlinien, um die sich Trump jedoch schon während seiner ersten Präsidentschaft nicht geschert hat. Der kürzlich veröffentlichte Bericht eines Aufsichtsausschusses des US-Repräsentantenhauses legt dar, dass fremde Regierungen während Trumps Präsidentschaft Millionen Euros in Trumps Geschäfte investiert haben, besonders über Hotelaufenthalte und Mietverträge in seinen Immobilien. Ein Verhalten, das einige Republikaner derzeit verzweifelt Joe Biden nachweisen wollen, um ihn dafür seines Amtes zu entheben.

Zu guter Letzt wäre es ja kein Trump-Unternehmen, wenn nicht auch in alle Richtung geklagt werden würde. Seine zwei Mitgründer haben bereits im Februar gegen den Ex-Präsidenten Klage eingereicht, weil er sie angeblich um die vertraglich ausgemachten Unternehmensanteile betrügen wollte. Und TMTG klagt jetzt zurück, weil Trump den Mitgründern ihre vertraglich ausgemachten Unternehmensanteile nicht geben möchte. Aufgrund einer Reihe teurer Fehler, die sie seit der Gründung gemacht hätten, würden diese ihnen nicht zustehen, so die Klage.

Bei all dem Chaos ist es nicht sicher, wie viel von Trumps neuem Tech-Reichtum noch übrig ist, wenn er in sechs Monaten endlich seine Aktien abstoßen darf. Er hofft wahrscheinlich, dass es wenigstens genug ist, um seine diversen Anwaltskosten zu zahlen.

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