Cannabis-Legalisierung: Droht Kiffern in Süd- und Ostdeutschland bald neue Repression?

Föderalismus Die Art und Weise der Verabschiedung des Cannabis-Gesetzes im Bundesrat lässt vermuten: Sachsen und Bayern, Brandenburg oder auch Baden-Württemberg könnten die Legalisierung repressiver umsetzen als andere Bundesländer
Ausgabe 13/2024
Politisch tun sich die Schwarzen am schwersten mit der Cannabis-Legalisierung, die Roten haben es damit aber auch nicht so, nur die Grünen stehen – abgesehen von Winfried Kretschmann – stabil auf Seiten der Liberalisierung.
Politisch tun sich die Schwarzen am schwersten mit der Cannabis-Legalisierung, die Roten haben es damit aber auch nicht so, nur die Grünen stehen – abgesehen von Winfried Kretschmann – stabil auf Seiten der Liberalisierung.

Foto: Loren Biser/unsplash

Bundesrat schlägt heute-show: Wer die Sitzung der Länderkammer zum Cannabis-Gesetz am Freitag verfolgte, konnte leicht auf die spätabendliche Satire-Dröhnung verzichten. Dass die Teil-Legalisierung von Cannabis das Abendland dem Untergang entgegenführe, hatte die eine Seite bereits monatelang vor der Verabschiedung des Gesetzes beschworen. Im Bundesrat ließ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das in seiner Aussage gipfeln, das Kiffen stürze das Land gar in die „Katastrophe“.

Ärger in Brandenburgs Kenia-Koalition

Offenbar können weder Klimakrise noch Kriege noch Terror die Vertreter der Union in derartige Panik versetzen wie die Vorstellung, zu Hause um die Ecke unfreiwillig süßliche Ausdünstungen einer Droge inhalieren zu müssen. Kretschmer war es, der mit seinem Vorschlag, das Gesetz im Vermittlungsausschuss am langen Arm verhungern zu lassen, verhinderte, dass dort tatsächlich sachliche Mängel ausgebügelt werden.

Sachsens CDU/Grüne/SPD-Regierung stimmte uneinheitlich ab und machte ihr Votum damit bewusst ungültig. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) tat es seinem Amtsvorgänger Manfred Stolpe nach und brach die Bundesratsregel, sich dort im Fall von Dissens mit dem Koalitionspartner zu enthalten. Es rumort im Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, Letztere sehen künftige Koalitionsverhandlungen schwer belastet.

Eingebetteter Medieninhalt

In einem halben Jahr wählt Brandenburg den Landtag neu, die prohibitionistische Positionierung des Sozialdemokraten Woidke zum Cannabis-Gesetz („Ich halte es für schädlich für unser Land Brandenburg“) mag sich aus dem Ringen um weniger liberal gestimmte Wähler erklären. Selbiges scheint Regierenden im Osten wie im Süden vielversprechend – neben Brandenburg und Sachsen war Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland an Widerstand gegen die Legalisierung gelegen. Die Gesetzesverabschiedung mit Ach und Krach ist jedenfalls kein guter Start für die Legalisierung.

Dass auch SPD-geführte Länder, denen die Durchführung obliegt, die Folgen für Justiz und Polizei fürchten, ist eine Sache. Doch die als Drama beschriebene Durchforstung laufender Verfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz ist endlich. Dass sich auf riesigen Rapsfeldern bald Hanfpflanzen im Wind wiegen werden, steht auch nicht zu erwarten.

Drogen, Moral, Law and Order

Eher schon, dass die exekutive Realität nach der legislativen Legalisierung den Föderalismus neu aufleben lässt. Doch diesmal nicht wie in der Corona-Zeit, als die Eigenwilligkeit der Länder für einen Wildwuchs an Maßnahmen, aber eben über die Zeit auch für Eindämmung des strikten Vorgehens des Bundes sorgte. Sondern umgekehrt: Ließen die Landesregierungen ihre Polizei und Justiz das neue Gesetz so repressiv wie möglich auslegen, würden sie damit eine Liberalisierung des Bundes bremsen. Dass sie die Behörden auf diese Weise eben nicht von Bürokratie entlasten, hätten sie sich dann aber schon selbst zuzuschreiben.

Um den jetzt wieder aufflammenden Glaubenskrieg in Sachen Drogen zu verstehen, lohnt es sich, das letzte einschlägige Buch Günter Amendts, No drugs – no future über Drogen im Zeitalter der Globalisierung, noch einmal zu lesen. Es macht darauf aufmerksam, dass Drogen, neben Genuss- und Heilmittel, auch Zahlungsmittel in kriminellen Kontexten seien – und Druckmittel zur Durchsetzung autoritärer „Law and Order“-Strategien. Mit Drogen werde schon immer Politik gemacht, und in der Krise suche die „moral majority“, die Mehrheit in Sachen Moral, stets nach einer neuen Verständigungsbasis.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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