Gaza: Das Sterben muss ein Ende haben!

Verwerfliches Tauziehen Sabine Kebir verfolgt den Streit über eine Waffenruhe für Gaza. Es scheint grotesk und zynisch zugleich, dass sich weder der UN-Sicherheitsrat noch die Europäische Union über die Notwendigkeit einer sofortigen Feuerpause einigen können
Ausgabe 50/2023
Das Leid in Gaza hat unvorstellbare Ausmaße angenommen
Das Leid in Gaza hat unvorstellbare Ausmaße angenommen

Foto: Mohammed Abed/AFP/Getty Images

Wem würde ein humanitärer Waffenstillstand im Nahen Osten gegenwärtig am meisten nützen? Der hungernden Bevölkerung in Gaza, die – laut der dort tätigen Hilfsorganisation „Save the Children“ – an dem „für Zivilisten unsichersten Ort der Welt“ lebt? Oder der Hamas, der eine erneute Feuerpause zur Reorganisation ihrer Kräfte dienen könnte? Darüber können sich weder der UN-Sicherheitsrat noch die Europäische Union einigen, sodass weiter gestorben wird.

UN-Generalsekretär António Guterres fordert eine solche Feuerpause schon lange. Die Vereinigten Arabischen Emirate, derzeit Mitglied im Sicherheitsrat, hatten am 9. Dezember eine entsprechende Resolution vorgeschlagen. Dreizehn der fünfzehn ständigen bzw. nichtständigen Mitglieder stimmten dafür. Die USA legten ihr Veto ein, obwohl auch sie ständig mehr Humanität gegenüber den Zivilisten verlangen und sich über Berichte besorgt zeigen, wonach die israelische Armee wie schon in früheren Gaza-Kriegen Phosphorbomben einsetzt.

Hamas-Sprecher droht mit Tod der Geiseln

Doch bleiben die USA dabei, dass die Hamas noch nicht genug geschwächt sei, um einen ähnlichen Angriff wie den vom 7. Oktober künftig ausschließen zu können. Großbritannien enthielt sich, weil es eine Verurteilung jener Hamas-Attacke in der Resolution vermisste. Leider blieb unterbelichtet, was die Organisation „Save the Children“ hervorhob: Eine humanitäre Waffenruhe müsse mit der Bedingung – Freilassung weiterer Geiseln – verknüpft werden. Hamas-Sprecher Abu Obeida hatte martialisch verkündet, dass diese Unglücklichen sterben würden, sollte Israel weiter darauf bestehen, seinen Waffengang fortzusetzen. Doch scheint dieser Drohung momentan keine Beachtung geschenkt zu werden. Warum eigentlich nicht?

Obwohl eine humanitäre Waffenruhe nur eine Feuerpause und keinen endgültigen Waffenstillstand bedeuten würde, ist die EU erneut über diese Frage zerstritten. Spanien, Irland, Belgien und Malta unterstützen das Gebot, im Interesse der Zivilbevölkerung die Waffen schweigen zu lassen. Tschechien und Deutschland hingegen meinen, dass daraus der Hamas zu viele Vorteile erwachsen würden.

Die Abraham-Abkommen

Dass die Vereinigten Arabischen Emirate die Resolution nach einem humanitären Waffenstillstand einbrachten, lässt insofern aufmerken, weil sie als Unterzeichner eines der Abraham-Abkommen mit Israel Botschafter ausgetauscht haben. Hier zeigt sich, dass die Anerkennung des Existenzrechts Israels keineswegs die bedingungslose Unterstützung von dessen Regierungspolitik bedeuten muss, wie das etliche westliche Staaten praktizieren. Wird man noch zusehen, wenn sich der Teil der politischen Klassen Israels mit seinen Plänen zum „Transfer“ der Palästinenser durchsetzt?

Was Saudi-Arabien betrifft, über das immer wieder behauptet wird, es sei vor dem Angriff der Hamas zur Anerkennung Israels bereit gewesen, wäre richtigzustellen: Nach Gesprächen in den USA im August hatte ein Sprecher des Königshauses keinen Zweifel gelassen, dieser Schritt komme erst in Betracht, wenn greifbare Fortschritte im Verhältnis Israels zu den Palästinensern erreicht seien. In Riad verstehe man darunter die Zwei-Staaten-Lösung. Mit der Behauptung, sie sei utopisch, werden sich weder die Palästinenser noch ihre Unterstützer in der nichtwestlichen Welt abfinden. Ein Weg zum Frieden auf Augenhöhe muss eröffnet werden. Mit Debatten darüber sollten Intellektuelle beider Seiten beginnen. Es gibt zudem genug palästinensische Politiker, die dafür zur Verfügung stehen.

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