Wer ist der Super-Öko? Über die Klimapolitik von Bodo Ramelow und Winfried Kretschmann

Ländervergleich 2014 begann im „grünen Herzen“ Deutschlands die rot-rot-grüne Ära unter Bodo Ramelow. Macht es einen Unterschied für das Klima, wer in den Bundesländern regiert? Ein Vergleich zwischen Thüringen und Windfried Kretschmanns Baden-Württemberg
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 08/2024
Schnell noch ein Selfie! Denn: So hoch hinaus wird Bodo Ramelow wohl bald nicht mehr kommen
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Foto: Sebastian Willnow/dpa

Im Herbst 2024 wird in drei Bundesländern gewählt: neben Sachsen und Brandenburg auch in Thüringen, dem einzigen Land, in dem Die Linke den Ministerpräsidenten stellt. Anlass genug, einmal nachzufragen: Macht es eigentlich einen Unterschied fürs Klima, ob die Linke oder die Grünen an der Macht sind? Wie ist die klimapolitische Bilanz von Thüringens Landesregierung, und – zum Vergleich – wie sieht die Bilanz von Deutschlands einzigem grüngeführten Bundesland, Baden-Württemberg, aus?

2014 begann im selbst ernannten grünen Herzen Deutschlands die rot-rot-grüne Ära unter dem bisher einzigen Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow. Dessen Dreierkoalition legte Ende 2018 ein Landes-Klimagesetz vor, als erstes ostdeutsches Bundesland. Ziel war es, in Thüringen bis 2050 den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen um 95 Prozent zu senken. Auf Bundesebene galt 2014 noch die schwammige Vorgabe aus dem 2010 beschlossenen Klimaplan: Bis 2050 sollten danach die CO₂-Emissionen um 80 bis 95 Prozent sinken. Ramelow war das nicht ehrgeizig genug.

Mit etwas Abstand kann man bilanzieren: 2014 bis 2019 hat die linksgeführte Landesregierung einen beachtlichen Rahmen für den Ausbau der Erneuerbaren geschaffen. Zusammen mit Bayern schützt Ramelow die Biogasanlagen erfolgreich. Und Thüringen schaffte es, die Bedingungen für die unter Preisdruck geratenen Pumpspeicherwerke so zu ändern, dass es sie heute noch gibt.

„Leider bremsten Bundesregelungen größere Erfolge aus“, bedauert Ralph Lenkert. Er ist Thüringer Bundestagsabgeordneter der Linken und der profilierteste Energiepolitiker der Partei. Was er kritisiert: Die Bürgerenergie sei durch bürokratische Hürden behindert worden. Und nach wie vor erhielten Menschen mit geringem Einkommen zu wenig Unterstützung, um sich an Bürgerenergie beteiligen zu können, sagt Lenkert. In der Folge gelten in Thüringen Erneuerbare nicht selten als „westimportiert“. Lenkert drückt es freundlicher aus: Etliche Windparkprojekte seien regional nicht genügend verwurzelt, sagt er. Fonds und Energieunternehmen hätten sich dank ihrer Kapitalkraft in einer Art „Windhundrennen“ die leicht erschließbaren Flächen für den Windausbau gesichert.

„Wind-an-Land-Gesetz“: Thüringen muss 2,2 Prozent der Landesfläche für Windkraft reservieren

Nun sollte man der Gerechtigkeit halber hinzufügen, dass die Geschichte der Erneuerbaren in Thüringen nicht erst mit der Amtszeit Ramelows begann: Auch seine schwarz-rote Vorgängerregierung gehörte schon zu den Vorreitern bei den Erneuerbaren. Ähnliches gilt auch für Baden-Württemberg: Nicht erst seit dem Amtsantritt des ersten grünen Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, der 2011 in dem einst tiefschwarzen Bundesland gewählt wurde, machte man in Stuttgart Klimapolitik. Schon 2007 hatte die CDU-geführte Landesregierung das bundesweit erste Gesetz verabschiedet, das Hausbesitzer verpflichtete, beim Um- oder Neubau erneuerbare Wärmequellen zu nutzen. Wohngebäude mussten ein Fünftel der Energie für Heizen oder Warmwasser aus erneuerbaren Quellen beziehen, sofern die Gebäude ab 2008 gebaut oder die Heizungen ab 2010 ausgetauscht werden sollten. Für Sanierungen galt ein Ökoanteil von zehn Prozent. Unters Label „erneuerbar“ fielen damals Solarkollektoren, Wärmepumpen, Biomasse, Blockheizkraftwerke sowie Erd- oder Fernwärme.

Das Wärmegesetz gilt inzwischen als Pioniertat, es sei ein „funktionierendes Beispiel für die politische Gestaltungsmöglichkeit der Länder“, sagt Volker Kienzlen, Chef der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) heute. Die Landesagentur leitet Kienzlen seit 2006, er war beim Wärmegesetz quasi live dabei. „Baden-Württemberg begann damals unter einer CDU-Umweltministerin, im Gebäudesektor den Anteil der erneuerbaren Wärme zu steigern“, blickt er zurück. Dass damals kein anderes Bundesland mitzog, bedauert Kienzlen noch heute.

2015 wurde das Wärmegesetz durch die dann grün-rote Landesregierung novelliert. 2011 hatte Kretschmann übernommen – und unter ihm blieb das „Ländle“ vorneweg: 2013 gab sich Baden-Württemberg als eines der ersten Bundesländer ein eigenes Klimaschutzgesetz. Das jahrelange schwarz-grün-rote Engagement zahlte sich aus. 2014 analysierte eine über 200 Seiten dicke Studie bundesweit sogenannte „Erfolgsfaktoren für den Ausbau der Erneuerbaren“. In der Rangfolge der Bundesländer landete Baden-Württemberg auf Platz zwei der Bundesländer. Thüringen und Brandenburg belegten die Plätze vier und fünf.

Doch wie läuft der Ausbau der Erneuerbaren heute? In Baden-Württemberg habe die Windenergie über viele Jahre kein gutes Standing gehabt, sagt Agenturchef Volker Kienzlen. „Vor allem im Großraum Stuttgart ist es nicht so einfach, von der Bürgerschaft akzeptierte Standorte zu finden“, erklärt er. Sollen dafür dann mehr Windräder im Nordosten Baden-Württembergs stehen, seien die Bewohner in den ländlichen Regionen davon auch nicht begeistert.

Knappe Flächen bedeuten auch steigende Pachtpreise, weiß Peter Ugolini-Schmidt von den EWS Schönau. In den letzten fünf Jahren hätten sich die Pachten für Windflächen verdreifacht. Zumindest die Pachtpreise öffentlicher Flächeneigner müssten gedeckelt werden, verlangt der energiepolitische Sprecher des Ökoenergieversorger. Ugolini-Schmidt wie auch KEA-Chef Kienzlen nehmen in ihrem Bundesland aber ein Umdenken wahr und kennen auch den Grund: Die Nachfrage der Industrie nach grüner Energie zieht seit ein paar Jahren an. „Eine ganze Reihe von Unternehmen hat eigene Ziele zur Dekarbonisierung und fragt sich schon, woher künftig der grüne Strom kommt“, erläutert Kienzlen.

Mehr Druck beim Wind kommt endlich auch vom Bund. Der erließ vergangenes Jahr das Wind-an-Land-Gesetz. Das legt für jedes Bundesland fest, wie viel Landesfläche bis 2032 für Windkraft zu reservieren ist. In Baden-Württemberg sind es 1,8, in Thüringen 2,2 Prozent. Die Landesregierung in Stuttgart richtete eine Task Force zum beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren ein und will die 1,8 Prozent schon 2025 in der Tasche haben. Dazu sollen unter anderem Tausende Hektar Staatswald für Windkraft geöffnet werden. Ministerpräsident Kretschmann will persönlich bei der Bundeswehr für erneuerbare Anlagen in militärischen Gebieten werben.

Seit 2020 ist das Feuer der Erneuerbaren Energien in Thrüringen erloschen

Ganz anders die Entwicklung in Thüringen. Seit sich Rot-Rot-Grün ab 2020 in einer Minderheitsregierung wiederfand, ist dort das erneuerbare Feuer mehr oder weniger erloschen. Sowohl die CDU als auch die FDP in Thüringen haben mithilfe der AfD und teilweise auch mit Erpressung den Ausbau der Windenergie gesetzlich erschwert, prangert Lenkert an. Er kritisiert insbesondere die machtpolitischen Spielchen, mit denen die CDU Thüringen mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Mario Voigt mehr Engagement für Klimaschutz und der Energiewende verhindert.

Für Harald Uphoff unterscheiden sich die Bundesländer vor allem in der politischen Haltung, die die Landesregierungen jeweils gegenüber der Energiewende einnehmen und wie sie diese öffentlich kommunizieren. Dies könne die Stimmung in einem Bundesland über Jahre beeinflussen, erklärt der geschäftsführende Vorstand der 100-Prozent-erneuerbar-Stiftung. Uphoff weiß aber auch: Selbst die beste Dialog- und Prozessbegleitung der Energiewende könne nicht erreichen, dass es vor Ort überhaupt keine Widerstände gibt. „Das kann keine Landesregierung verhindern“, sagt er.

Die Länder könnten aber Strukturen schaffen, die einen professionellen Umgang mit Konflikten ermöglichen, betont Uphoff. Gute Beispiele kennt er auch: in Baden-Württemberg das Forum Energiedialog, in Hessen das Bürgerforum Energiewende, in Sachsen die Dialog- und Servicestelle erneuerbare Energien und in Thüringen die Servicestelle Windenergie.

Was die Wärmewende angeht, so hat man in Baden-Württemberg schon 2020 die verbindliche kommunale Wärmeplanung eingeführt; bis Ende 2023 hatten die großen Kommunen Zeit, ihre Wärmeplanung abzuschließen, erklärt KEA-Chef Kienzlen. Auf Bundesebene müssen große Städte ihre Wärmeplanung erst Ende 2026 fertig haben. Dass man im „Ländle“ drei Jahre voraus ist, ist für Kienzlen ein Beispiel für die Spielräume, die Bundesländer in der Energiepolitik haben. Diese seien aber eben auch von der Bundespolitik abhängig. Kienzlen: „Wenn der Bund blockiert, wie es viele Jahre Praxis war, ist es für die Länder schwierig.“

Die Möglichkeiten für eine „Landes-Energiepolitik“ hängen auch von der jeweiligen Finanzstärke des Landes ab, räumt Harald Uphoff von der 100-Prozent-erneuerbar-Stiftung ein. Besonders bei der Unterstützung der Industrie in der Transformation kämen Bundesländer schnell an ihre Grenzen. Da gehe es um höhere dreistellige Millionenbeträge, zum Teil auch wie bei Stahl um Milliarden. Solche Beträge könne ein Land, so Uphoff, nur im Zusammenspiel mit dem Bund aufbringen. Das sei auch in Ordnung. Immerhin gehe es um gesamtgesellschaftliche Aufgaben.

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