„Die geheime Welt der Superreichen“ ist immer weniger geheim. Aber stört sie wen?

Kolumne Die Reichen in Deutschland sind noch reicher als gedacht. Von seinem Verwandten bekommt unser Kolumnist aber Memes gegen Flüchtlinge geschickt. Sebastian Friedrichs „Lexikon der Leistungegsellschaft“
Ausgabe 01/2024
Verglichen mit manchen Yachten ist das nur ein kleines Bötchen
Verglichen mit manchen Yachten ist das nur ein kleines Bötchen

Foto: Imago/ Peter Sevfferth

Sebastian Friedrich ist Freitag-Kolumnist und beschäftigt sich in seinem „Lexikon der Leistungsgesellschaft“ seit 2013 mit den Ideologien des Alltags. Denise M’Baye und er sind die Hosts des NDR-Philosophie-Podcasts Tee mit Warum. Friedrich arbeitet zudem für das ARD-Magazin Panorama.

Viele Jahre wurde kritisiert, Medien behandelten das Thema Reichtum nur dann, wenn es um Königshäuser oder um ein neues Reality-Format geht, das sich ein Multimillionär als Hobby gönnt. In letzter Zeit hat sich aber etwas getan: Reichtum als Problem ist inzwischen durchaus Thema. Eindrucksvoll hat jüngst die ZDF-Dokumentation Die geheime Welt der Superreichen gezeigt, wie es möglich ist, unterhaltsam, investigativ und gesellschaftskritisch mehr als drei Millionen Menschen zu erreichen. Die Buchautorin und Filmemacherin Julia Friedrichs und der Sportjournalist Jochen Breyer interviewten Capri-Sonne-Chef Hans-Peter Wild in dessen Privatjet, ließen sich von einem Super-Erben erklären, dass er sich selbstverständlich alles selbst verdient hat, und begleiteten den Klassismusforscher, Bodybuilder und Kapitalismus-Fanboy Rainer Zitelmann in den Berliner China Club.

Friedrichs und Breyer erfuhren etwa, dass allein in der vergangenen Saison mehr als 1.000 Superjachten verkauft wurden (ein Viertel mehr als im Vorjahr), dass das geschätzte Vermögen der Superreichen in Deutschland wohl um 500 Milliarden Euro höher ist als bisher angenommen und dass eine Ministerialrätin aus dem Bundesfinanzministerium bei einer exklusiven Konferenz von Steuerberatungsfirmen Spartipps für Superreiche gegeben haben soll.

Die Doku reiht sich ein in eine zunehmende Auseinandersetzung mit dem Reichtumsproblem. Diverse ähnliche Dokus, Essays und Studien sind dazu in den vergangenen Jahren erschienen. Während die Superjachten immer länger werden, scheint in weiten Teilen der Bevölkerung auch die Empörung über zunehmende Ungleichheit zu wachsen. Allein: Dieses Ungerechtigkeitsempfinden führt längst nicht dazu, aktiv etwas an den Verhältnissen ändern zu wollen. Aktuelle Wahlumfragen sind ein Indiz dafür, dass sogar das Gegenteil der Fall ist. Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser sprechen in diesem Zusammenhang in ihrer zu Recht vielbeachteten Studie Triggerpunkte von einem „Ungleichheits-Paradoxon“, der Soziologe Klaus Dörre seit Jahren ähnlich treffend von einer „demobilisierten Klassengesellschaft“.

Wie diese Demobilisierung funktioniert, hat mir vor einiger Zeit jemand aus der Familie deutlich gemacht. Er schickte mir ständig rassistische Sharepics und Memes. Ihn, der sich jahrzehntelang als Lkw-Fahrer kaputtgeschuftet hat, fragte ich daraufhin, ob tatsächlich Geflüchtete die geeigneten Adressaten seiner Wut sind und ob er sich nicht eher mal mit denjenigen auseinandersetzen sollte, die wirklich von diesem System profitieren.

Seine Antwort: Auch er sei gegen Profitmaximierung, gegen die Superreichen und könne sogar dem Sozialismus etwas abgewinnen. Nur ändern könne man an der Ungleichheit eh nichts: Egal, was wir wählten, wir würden sowieso verarscht, selbst zaghafte, gemäßigt linke Maßnahmen wie eine Vermögens- oder Millionärssteuer seien undenkbar. Ihm steckten die Erfahrungen der Agenda 2010 noch tief in den Knochen. Heute prasseln täglich neue Schläge und Tritte auf ihn ein, wenn die Bundesregierung im Zuge ihres Spardiktats täglich neue Maßnahmen gegen die unteren Klassen verkündet, während 500 Milliarden Euro mehr Vermögen der Superreichen sie nicht zu jucken scheinen.

Rassistische Ideologie, die Scheiße in den Köpfen, die täglich Nachschub bekommt, aber nirgends hin abgeführt werden kann, die vielen alltäglichen Kämpfe in der Ellbogengesellschaft, die von Kindheit an erlernte Bewegung des Nachuntentretens, aber auch die Hoffnungslosigkeit und die Erfahrung der Erniedrigungen: Das alles versperrt den selbstbewussten Blick nach oben, lässt einen wütend, aber mutlos mit gesenktem Kopf zurück. Berichte über Superreiche dürften bei vielen kaum mehr als ein Achselzucken hervorrufen.

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