Uwe Johnsons „Jahrestage“ am Schauspiel Leipzig: Bitte mehr Einfallsreichtum
Das Schauspiel Leipzig gibt Uwe Johnsons Roman „Jahrestage“ eine Bühne, der von der USA-Auswanderin Gesine Cresspahl in den 1960ern erzählt
Deutsche Rheinfälle: Erhard Schütz liest Sachbücher über Zäsuren der Geschichte
Prof. Schütz weiß, wie sich die Berichterstatter der Nürnberger Prozesse in ihren Feldbetten stritten – und was man erlebt hat, wenn man während Corona bis zur Rheinquelle gewandert ist. Hier sind seine Sachbuch-Tipps des Monats
„Der vermessene Mensch“ über Herero-Völkermord: Wider besseren Wissens
Lars Kraumes „Der vermessene Mensch“ beleuchtet eines der grausamsten Kapitel deutscher Kolonialgeschichte: den Völkermord an den Herero und Nama. Das Dilemma, Verbrechen zu zeigen und sie dabei zu reproduzieren, löst der Film nicht
„Ich bin zu zart für diese Welt“: Teil II der Tagebücher von Manfred Krug
Ein Glücksfall: Im zweiten Band seiner Tagebücher nimmt Manfred Krug uns mit durch die bewegenden 1990er Jahre. Entstanden ist eine faszinierende private Zeitgeschichte – typisch schnoddrig, melancholisch, luzide
Rache-Slapstick à la Tarantino: Percival Everetts Krimi „Die Bäume“
Percival Everetts Roman „Die Bäume“ ist eine gnadenlose Krimi-Parodie auf die Lynchmorde in den USA. Ein Buch, das sich über Genregrenzen hinweg bewegt und in seiner Geschwindigkeit und seinem Witz an Filme, wie „BlacKkKlansman“ erinnert
Vergangene Arbeit: „Ein Hof und 11 Geschwister“ von Ewald Frie
Der Historiker Ewald Frie erzählt eindrücklich vom Aufwachsen in einer bäuerlichen Großfamilie der Nachkriegszeit. Die Wissenschaftsjournalistin Regina Bartel lebt selbst auf einem Resthof in Niedersachsen und hat das Buch für uns gelesen
Energieexperte Vaclav Smil: Wie die Welt wirklich funktioniert
Der renommierte Experte für Energiefragen Vaclav Smil unterzieht die geplante, schnelle Umstellung auf erneuerbare Energien einem Realititätscheck. Werden wir wirklich in naher Zukunft auf fossile Energien verzichten können?
Der erste Schmerzensschrei: „Sklaverei bilanzieren“ von Caitlin Rosenthal
Ehemalige Sklavenhalter agierten wie moderne Manager, analysiert die renommierte US-amerikanische Wirtschaftshistorikerin Caitlin Rosenthal. Es ist diese Ungleichheit, die vor mehr als 200 Jahren Innovation hervorbrachte
Ostdeutschland auf Augenhöhe? Erst wenn Westdeutsche „neokoloniale Attitüde“ ablegen
„Der Osten“: Immer nur die Fremden? In ihren Büchern fordern die Autor:innen Dirk Oschmann und Juliane Stückrad einen neuen Blick des Westens auf den Osten
Martha Nussbaums Tierethik: Jeder nach seinen Fähigkeiten
Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier wandelt sich rasant. Die Philosophin Martha Nussbaum plädiert in ihrem Buch „Gerechtigkeit für Tiere“ dafür, auch Rinder und Kaninchen wie politische Subjekte zu behandeln. Wie könnte das aussehen?
Nancy Frasers Kapitalismuskritik: Eine Schlange, die sich in den Schwanz beisst
Die Natur im Rachen: „Allesfresser“ heißt das Buch der bedeutenden US-amerikanischen Philosophin Nancy Fraser. Sie beschreibt darin, wie der Kapitalismus die Menschen verschlingt und warum wir dringend ein neues Wirtschaftssystem brauchen
Katzenurin auf dem Sofa: „Geld spielt keine Rolle“ von Anna Mayr
Selbstironische Introspektion: Anna Mayr analysiert in „Geld spielt keine Rolle“ auf vergnügliche Weise ihr Verhältnis zum Konsum und outet sich als Salonlinke. Ein Buch, das unser schlechtes Gewissen herausfordert
Ein Schillern: „Das Blau des Kaftans“ von Maryam Touzani
Maryam Touzani erzählt in „Das Blau des Kaftans“ von den feinen Unterschieden des Begehrens und der Zuneigung. Ein zarter Film über Homosexualität in Marokko – einem Land, in dem entsprechende Handlungen strafrechtlich verfolgt werden
Zwölf Autoren streiten übers „Canceln“: Weg mit Winnetou!?
Niemand will Literatur ernsthaft verbieten. Aber: Wo aber fängt Zensur an? Der Sammelband „Canceln. Ein notwendiger Streit“ versammelt Beiträge zum Thema. Ein Buch, das in jedes Bücherregal gehört, findet der Philosoph Jörg Phil Friedrich
Lyrikkolumne: brudergrab, schwesterfern
Unsere Kolumnistin Beate Tröger liebt die Lyrik. Wer Geduld für sie aufbringt, wird belohnt – mit eigenwilligen Stimmen, die im Geschrei von Welt und Netz viel zu oft untergehen
Den Niedergang zelebrieren: „Herr Aurich“ – Monika Marons kluge Parabel
Scharf, gallig, bitterkomisch: Auf 55 kurzen Seiten zelebriert Monika Maron bitterböse den Niedergang eines DDR-Parteifunktionärs. Mitgefühl mit „Herrn Aurich“ wird von der Autorin nicht ausgeschlossen
Künstlerin Karen Lamassonne: Beine, Beine, immer wieder Beine
Alleinsein als Quelle der Freude: In den 1970er Jahren waren Karen Lamassonnes Bilder in Kolumbien skandalös. Im KW Institute for Contemporary Art in Berlin ist jetzt eine umfassende Werkschau zu sehen
Hoffnung auf Frieden: Dzevad Karahasans Roman „Einübung ins Schweben“
Dzevad Karahasans Roman „Einübung ins Schweben“ erzählt von der Belagerung Sarajevos im Jahr 1992. Dabei wirft der Autor einen etwas anderen Blick auf den Jugoslawienkrieg und beweist einmal mehr, dass er ein Schriftsteller von Weltrang ist

Grandios unlesbar: „Die Schwerkraft der Verhältnisse“ von Marianne Fritz
Marianne Fritz sabotierte die Normsprache, um von jener proletarischen Wirklichkeit zu erzählen, von der die bürgerliche Literatur nichts wissen will. Die österreichische Schriftstellerin wird endlich wiederentdeckt
„Ich schreibe am eigenen Leben entlang“: Judith Hermann erkundet ihr Schreiben
„Wir hätten uns alles gesagt“ von Judith Hermann ist eine faszinierende Erkundung über das Leben und Schreiben einer Schriftstellerin. Die einzelnen Geschichten sind Aneinanderreihungen psychoanalytischer Fallgeschichten
„Siegfried“ von Antonia Baum: Der geschrumpfte Held
Das Chaos der Welt spiegelt sich hier im handlichen Format der Familie. Alle sind überfordert. Antonia Baums neuer Roman „Siegfried“ beweist: Die 39-jährige Schriftstellerin gehört zu den interessantesten deutschen Gegenwartsautorinnen
„Saint Omer“ von Alice Diop: In den Augen der Mütter
Eindrucksvolles Gerichts-Drama: In ihrem preisgekrönten Film „Saint Omer“ geht es der Filmemacherin Alice Diop, selbst Tochter senegalesischer Eltern, nicht mehr um die Repräsentation migrantischer Frauen. Warum gerade das hochpolitisch ist
Ich schlafe schlecht: Priya Guns’ „Dein Taxi ist da“
Priya Guns’ rasanter Roman „Dein Taxi ist da“ hält so manchen Leser:innen den Spiegel vor und liest sich dabei wie ein wütender TikTok-Roman
Dinner für fünf: Eine Gesellschaftssatire von Teresa Präauer
Mit entstellender Komik nimmt die Österreicherin Teresa Präauer in ihrem Roman „Kochen im falschen Jahrhundert" die Bigotterie der gut situierten Mittelschicht auseinander. Aber Vorsicht: Das Buch hat hohes Identifikationspotenzial!