Olaf Scholz kann mit Taylor Swift nicht mithalten

Außenpolitik Der jüngste Besuch von Olaf Scholz in Washington stand nicht allein im Schatten des Superbowl-Wochenendes: Sein Gastgeber, US-Präsident Joe Biden, soll keinerlei Erfolg haben, das ist die erbitterte Strategie der Republikaner
Ausgabe 07/2024
Bundeskanzler Olaf Scholz besucht einen gebeutelten, aber lächelnden US-Präsidenten Joe Biden im Weißen Haus.
Bundeskanzler Olaf Scholz besucht einen gebeutelten, aber lächelnden US-Präsidenten Joe Biden im Weißen Haus.

Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

Eine Zusammenkunft des US-Präsidenten mit dem deutschen Kanzler wird in den USA weniger beachtet als auf der anderen Seite der Atlantikbrücke. Die Kurzvisite von Olaf Scholz ging medial unter im Nachrichtensturm über Joe Bidens aktuelle Probleme, von vermeintlichen Gedächtnislücken bis zum Ukraine-Stillstand. Am Sonntag war zudem Superbowl, das Endspiel der National Football League, San Francisco gegen Kansas City, das alles überlagernde Sportereignis des Jahres. Das Hundert-Millionen-Publikum wollte auch sehen, wie es beziehungsmäßig läuft zwischen Football-Star Travis Kelce und dessen Girlfriend, der umwerfenden Musikerin Taylor Swift. Diese gilt wegen ihrer enthusiastischen Anhänger angeblich als potenzielle Influencerin für Biden bei der Wahl im November. Gewonnen hat Kelces Kansas City 25 zu 22 in der Verlängerung, Taylor Swift jubelte im Stadion von Las Vegas.

Die Republikaner und die Hilfe für die Ukraine

Das alljährliche supermännliche Massenspektakel, bei dem die Athleten Gehirnverletzungen riskieren bis zur Demenz, konnte vorübergehend eine Illusion schaffen von gesellschaftlicher Normalität. Scholz setzte der Normalitätssuggestion noch einen drauf mit der Aussage, die Beziehungen zu den USA seien „so intensiv, so eng und so einvernehmlich“, wie es „wahrscheinlich über viele Jahre und Jahrzehnte nicht der Fall war“. Es ging offenkundig um den demonstrativen Schulterschluss zur Ukraine. Scholz trat dafür ein, „weiterhin strategisch im Gleichschritt“ vorzugehen, und sagte, was Biden sonst immer verkündet, freilich derzeit mit abnehmender Überzeugungskraft: „Wir müssen an der Seite der Ukraine stehen, solange dies nötig ist.“ Als Scholz den Rückflug antrat, war weiter offen, ob der Kongress – sprich: die Mehrheit der Republikaner – Ukrainehilfen bewilligt.

Bidens Ukrainekurs lief anfangs mit Erfolg. Es schien nach der russischen Invasion Ende Februar 2022 so, als habe der ukrainische Widerstand dem politischen Washington neuen Sinn und Zweck gegeben. Russlands Einmarsch durfte nicht hingenommen werden. Der Kongress feierte Wolodymyr Selenskyj, Biden war als Staatenlenker unbestrittener Chef des transatlantischen Bündnisses.

Trump und Selenskyj

Das ist aus den Fugen geraten. Nicht, weil Politikmacher infrage stellen würden, ob Waffenhilfe tatsächlich das entscheidende Mittel für einen Sieg sein kann. Vielmehr haben sich explizite und implizite Erwartungen von einem baldigen ukrainischen Sieg nicht bestätigt. Der Ukraine-Beistand stockt, weil sich im Kongress mit seinen hauchdünnen Mehrheitsverhältnissen eine Gruppe von Republikanern querstellt. Im Repräsentantenhaus steht die Möglichkeit im Raum, dass Super-Trumpisten einen Misstrauensantrag stellen gegen Sprecher Mike Johnson, sollte der das Ukraine-Paket zur Abstimmung bringen wollen.

Donald Trumps Chancen steigen, Präsidentschaftsbewerber seiner Partei zu werden. Die Partei passt sich an. Und Trump hat es nicht mit Selenskyj. Man erinnert sich des Telefonats mit dem Präsidenten in Kiew vom Sommer 2019, als Trump um Information „bat“ über die seiner Ansicht nach krummen Geschäfte von Bidens Sohn in der Ukraine. Die USA täten doch viel für die Ukraine. Dieses Gespräch, mit dem Trump Selenskyj augenscheinlich unter Druck setzen wollte, spielte eine wichtige Rolle beim ersten Amtsenthebungverfahren gegen Trump.

Ein „wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis“

Nun geht es den Republikanern darum, dass Biden keinen Erfolg hat. Bei der Debatte über ein neues Einwanderungsgesetz, das an die Ukrainehilfe gekoppelt werden sollte, sagte Trump Nein, obwohl Biden nach Ansicht mancher Hilfsverbände unerträglich restriktive Zugeständnisse gemacht hatte. Doch für Donald Trump sind hochgepuschte Fernsehbilder von Migranten beim Überqueren des Rio-Grande-Flusses besser. Nach dem Nein im Kongress zu diesem Paket steht nun ein neues Hilfegesetz für die Ukraine und für Israel zur Debatte, das jedoch bisher nur der Senat angenommen hat. Trump meldete sich am Superbowl-Wochenende auf seiner Plattform Truth Social: Die USA sollten niemals jemandem Geld geben ohne Auflagen und ohne die Hoffnung, dass es zurückgezahlt wird.

Scholz war im Weißen Haus, als Biden horrende Tage durchlebte. Sonderermittler Robert Hur, vormals in Trumps Justizministerium, legte seinen Bericht vor über Bidens „Dokumentenaffäre“, weil der als Barack Obamas Vizepräsident unautorisiert Geheimdokumente aufbewahrt haben soll. Hur sprach sich nicht für eine Anklage aus, beschrieb Biden jedoch als „wohlmeinenden älteren Mann mit einem schlechten Gedächtnis“, sodass viele Fragen unbeantwortet blieben. Ein Desaster für den 81-jährigen Präsidenten, dem bescheinigt wird, nicht mehr fit genug für das Amt zu sein, was die Opposition schon lange behauptet. „Ausrutscher“ leistet sich Biden häufiger, und auch manche Demokraten meinen, er solle besser Schluss machen.

Fast-Food-Genießer Donald Trump fehlen nach Ansicht seiner Kritiker, umgangssprachlich, auch ein paar Pommes für ein Happy Meal, nur ist man von ihm Irriges gewöhnt. Die republikanische Anwärterin Nikki Haley hat seine mentale Fitness bezweifelt. Das einzig Positive, was sich aus Sicht der Demokraten sagen lässt über den Hur-Bericht: Gut, dass er schon jetzt kommt und nicht erst elf Tage vor der Präsidentenwahl wie 2016 die Mitteilung von FBI-Direktor James Comey über angeblich neu entdeckte E-Mails von Kandidatin Hillary Clinton. Das hatte Donald Trumps Kampagne heftig angefacht und Clinton aus dem Tritt gebracht. Vollends, wie sich bei ihrer Niederlage herausstellte.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden