Die Schuldenbremse ist das Übel der Ampelkoalition, dieser Zeit und dieses Landes

Meinung Das finanzpolitische Rezept der Ampelregierung war anfangs ein pragmatisches – doch dann verpassten SPD, Grüne und FDP dessen dringend notwendige Anpassung. Jetzt hilft höchstens noch Reiner Haseloff
Ausgabe 07/2024
Lockerung der Schuldenbremse? Für Olaf Scholz könnte es schon zu spät sein
Lockerung der Schuldenbremse? Für Olaf Scholz könnte es schon zu spät sein

Foto: Imago/Photothek

Hätte ja klappen können mit der Ampelkoalition – ihr Erfolgsrezept stand im Kleingedruckten des Koalitionsvertrags: Von 2023 an die Vorgaben der Schuldenbremse einhalten, und dennoch investieren – über allerhand Schattenhaushalte, also Kredite etwa der Bahn, der KfW und per Klima- und Transformationsfonds (KTF). So hatten FDP, SPD und Grüne pragmatisch ihre finanzpolitischen Gegensätze gelöst. Als Olaf Scholz nach Russlands Überfall der Ukraine zur großen Aufrüstung blies, stand dieses Modell Pate. „Sondervermögen“ klang ja auch erst mal netter als „Schattenhaushalt“.

Teure Rüstung, teure Energie

Doch jedes Rezept verlangt bisweilen nach Anpassung – je länger der Krieg dauerte, desto deutlicher erkennbar wurde das Ausmaß, das eigene Aufrüstung und zeitgleiche Ausstattung der Ukraine verlangen, desto klarer wurde zudem, was der Verlust des Vorteils günstiger Energie für die hiesige Volkswirtschaft bedeutet – zumal, wenn etwa die USA mit niedrigen Preisen und hohen Subventionen Industriebetriebe anlocken.

Spätestens nach Karlsruhes Urteil zur von Christian Lindner verantworteten Haushaltspolitik und zum KTF wäre es Zeit für eine Anpassung gewesen.

Stattdessen führen Lindner und Scholz das Zepter eines sparenden Staates, als würde eine überhitzte Konjunktur zum Aufbau von Rücklagen einladen, als wäre dies gerade nicht eine Zeit höchster ökonomischer, sozialer, klima- und außenpolitischer Unsicherheit, als würden FDP und SPD nicht massiv an Vertrauen verlieren – wie bei Berlins Wiederholungswahl, zu deren Gewinnerinnen, allen Demonstrationen gegen sie zum Trotz, die AfD gehört.

Friedrich Merz versus Kai Wegner und Reiner Haseloff

Der Bundeschef der anderen Gewinnerin, der CDU, schlägt derweil staatlich geförderte Überstunden und gedeckelte Sozialabgaben vor. Gemessen an seiner Gesamtpartei aber ist Friedrich Merz damit auch nur ein marktradikaler Scheinriese.

Denn in Berlin fordert CDU-Mann Kai Wegner, Regierender Bürgermeister, vor Kameras Seite an Seite mit dem Grünen Robert Habeck „eine Reform der Schuldenbremse für Zukunftsinvestitionen“ und aus Sachsen-Anhalt ruft Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit den Worten „Was soll denn noch passieren?“ nach deren Aussetzen.

Möglich, dass er noch erhört wird. Der Ampelkoalition aber würde das kaum mehr helfen. Investitionen brauchen Zeit, bis sie wirken.

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Geschrieben von

Sebastian Puschner

Stellvertretender Chefredakteur und Ressortleiter „Politik“

Sebastian Puschner studierte Politik-, Verwaltungswissenschaften und Philosophie in Potsdam und wurde an der Deutschen Journalistenschule in München zum Redakteur ausgebildet. Bei der taz arbeitete er als Redakteur im Berlin-Ressort. 2014 wechselte Sebastian Puschner zum Freitag, wo er den monatlichen Wirtschaftsteil mit aufbaute. Seit 2017 ist er verantwortlicher Redakteur für Politik, seit 2020 stellvertretender Chefredakteur. Er interessiert sich besonders für Politik und Ökonomie von Hartz IV bis Cum-Ex sowie für Fragen zu Geopolitik, Krieg und Frieden.

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